Helmstedt. Erstaunlich unterschiedlich reagiert haben die Deutschen einmal wieder auf „Sabine“, das Sturmtief, das über das ganze Land gefegt ist und noch immer am Wüten ist. Wer es mit Humor nimmt, twittert Dinge wie „Ob es wirklich richtig weht, merkt ihr, wenn der Zug nur steht. #Sabine“ (DB_Zugbegleiter), während andere ihre Kinder lieber nicht zur Schule schicken wollen.
Dabei halten sich die Schäden in der Region Helmstedt aktuell in Grenzen. Die freiwilligen Feuerwehren sind eigentlich die am Leid Geplagtesten, sind sie doch seit Sonntagabend, 9. Februar 2020, in Alarmbereitschaft und auch schon zahlreich ausgerückt.
Einsätze in der Samtgemeinde Velpke
Bereits am Sonntagnachmittag schickte Sturmtief „Sabine“ seine Vorboten in die Samtgemeinde Velpke und hielt die Freiwilligen Feuerwehren in Atem. Um 17.18 Uhr wurde ein Telefonmast auf der K43 am Ortseingang Rickensdorf aus Richtung Papenrode kommend umgeknickt und ragte in die Fahrbahn. Nach einer kurzen Ruhephase legte der Sturm ab 22.12 Uhr dann richtig los. Umgestürzte Bäume, herabgefallene Äste, umgefallene Baugerüste aber auch Stromausfälle waren unter anderem die Folge.
Am schlimmsten war die stark befahrene L647 zwischen Danndorf und Velpke betroffen. Die Einsatzkräfte beseitigten dort 18 umgefallene Bäume von der Straße. Da weitere Bäume auf die Straße zu fallen drohen, ist die L647 zwischen den Ortschaften bis auf weiteres komplett gesperrt. Weitere Bäume mussten in Velpke, Bahrdorf, Groß Sisbeck und auf der B244 zwischen Grafhorst und Velpke beseitigt werden. Insgesamt 36 Bäume mussten die Einsatzkräfte zerkleinern und beiseite räumen.
Der letzte Einsatz war um 3.45 Uhr abgearbeitet und die Einsatzkräfte aus den Feuerwehren Bahrdorf, Danndorf, Grafhorst, Groß Sisbeck, Groß Twülpstedt und Velpke konnten wieder einrücken.
Viele Einsätze in Grasleben
Zahlreiche Unwettereinsätze wurden indes durch die Feuerwehren in der Samtgemeinde Grasleben abgearbeitet. Bereits ab 17 Uhr wurde am Sonntag eine Einsatzbereitschaft und die örtliche Einsatzleitung im Feuerwehrhaus Grasleben eingerichtet.
Bis etwa 1.30 Uhr wurden von dort aus die anfallenden Einsätze in der Samtgemeinde Grasleben koordiniert. Die Grasleber Kräfte mussten siebenmal tätig werden, die Kameraden aus Querenhorst zweimal und die Marientaler Einsatzkräfte zu einem Einsatz ausrücken.
Hauptsächlich waren umgestürzte Bäume die Ursache für die Einsätze. In Grasleben lösten sich auch bei einem großen Bürogebäude Jalousien und drohten abzureißen. Diese wurden durch die Einsatzkräfte und Eigentümer gesichert. Gegen 2.30 Uhr waren alle Einsätze in der Samtgemeinde abgearbeitet. Rund 50 Einsatzkräfte waren in Summe in der Nacht tätig.
Doch auch am Montag noch hatte die Graslebener Wehr alle Hände voll zu tun. Am Vormittag wurde in Mariental an der Ortsdurchfahrt ein großer Ast gemeldet, der aus einer Baumkrone herauszufallen drohte. Mittels Hubrettungsgerät entfernten die Einsatzkräfte aus Mariental und Grasleben die Gefahr.
Nur wenig später gibg es für die Grasleber Einsatzkräfte weiter. Ein Baum lag quer auf der K50. Dieser wurde mittels Kettensäge zerkleinert und die Fahrbahn wieder frei gemacht.
Direkt von diesem Einsatz ging es anschließend zu einem Wohnhaus in der Lindenbreite in Grasleben. Dort löste sich auf rund 60 Quadratmetern die Wärmedämmung an einer Fassade und drohte auf eine Straße zu stürzen. Teilstücke der Wärmedämmung wurden von den Einsatzkräften abgetragen und der Rest gesichert. Nach Rund 24 Stunden nach dem ersten Einsatz endete (vorerst) die Einsatzserie aufgrund der Wetterlage für die Einsatzkräfte aus der Samtgemeinde Grasleben.
Carportdach flog in Helmstedt davon
Aus dem Helmstedter Stadtgebiet vermeldeten die Freiwilligen Feuerwehren bisher lediglich einen Einsatz.
In der Nacht zum Montag wurde in der Liegnitzer Straße in Helmstedt ein Carport-Dach weggeweht. Die Dachteile beschädigten danach drei abgestellte PKW, einen BMW, einen Mazda und einen Opel. Personen wurden nicht verletzt.
Es gab insgesamt durch diverse Lackschäden und eine gerissene Frontscheibe einen Schaden von mehreren tausend Euro.
Schaden erlitt auch das Gebäude der Pestalozzi-Grundschule in Helmstedt, weshalb die Kinder am Montag nach Hause geschickt werden mussten und der Unterrricht am Dienstag aufiel.
Wie die Polizei ergänzt, sei Bad Helmstedt von Helmstedt aus aktuell nicht zu erreichen. Auch der Elm ist bis auf Weiteres gesperrt. Bisher verzeichnete
die Polizei aufgrund des Orkans 20 Einsätze im Landkreis.
Lehre mit ÖEL
Die Feuerwehren der Gemeinde Lehre waren gut vorbereitet, und so stand ab 17.30 Uhr im Feuerwehrhaus Lehre eine mit sechs Einsatzkräften besetzte Örtliche Einsatzleitung (ÖEL) parat, um die Einsätze im Gemeindegebiet Lehre zu koordinieren. Neben dem Einsatz „Einrichtung der ÖEL“ gab es acht mal das Einsatzstichwort „Baum auf Straße“.
Nachdem sich die Sturmlage entspannt hatte, konnte die Örtliche Einsatzleitung um 3 Uhr wieder aufgelöst werden.
Königslutter hatte ebenfalls eine ÖEL und eine Wachbereitschaft
Auch in Königslutter wurde um 18 Uhr am Sonntag eine Örtliche Einsatzleitung d in Betrieb genommen. Ebenfalls wurde eine Wachbesetzung in Königslutter und Ochsendorf bereitgehalten.
Im Stadtgebiet mussten drei Einsätze koordiniert werden. Zwischen Lauingen und Scheppau lagen einige Äste auf der Straße und wurden durch die Feuerwehr Lauingen entfernt. Zwischen Uhry und Ochsendorf war ein Baum umgekippt und ein weiterer drohte umzustürzen. Dort war die Feuerwehr Königslutter tätig und sperrte die Einsatzstelle zusammen mit der Polizei ab bis der Bauhof eintraf, der die Bäume entfernte. In Rottorf und Groß Steinum kam es zu einem Stromausfall, was dazu führte, dass die Feuerwehr Groß Steinum bei einem Einsatz, wo ein Baugerüst, das schon teilweise umgestürzt war undder Rest drohte umzustürzen, nicht über Sirene alarmiert werden konnte. So wurde die Feuerwehr Königslutter zur Erkundung eingesetzt und gleichzeitig wurde der Ortsbrandmeister aus Groß Steinum durch die Einsatzkräfte informiert. Vor Ort wurde entschieden, dass das Gerüst durch eine Fachfirma entfernt werden soll und die Straße Am Fuchsberg abgesperrt wird.
Sonst war es eine ruhige Nacht für die Wehren im Stadtgebiet Königslutter, sodass die Örtliche Einsatzleitung und Wachbereitschaft um 3.45 Uhr aufgehoben werden konnten.
Vorsorge auch in Schöningen
Vorsorglich wurde auch in Schöningen am Sonntagabend eine örtliche Einsatzleitung eingerichtet. Glücklicherweise kam es aber nur zu zwei Einsätzen im Stadtgebiet.
Bereits vor dem Sturm sicherten die Einsatzkräfte am Nachmittag ein Sprungpolster im Elmstadion.
In der Burgstraße war dann gegen Mitternacht ein Baum auf die Straße gekippt, der mittels Motorkettensägen zerkleinert und von den Einsatzkräften beiseite geräumt wurde.
Wer haftet eigentlich bei Sturmschäden?
Haus und Grund klärt auf
Was passiert eigentlich, wenn Sturmschäden am eigenen Haus oder beim Nachbarn zum Beispiel durch umgeworfene eigene Bäume oder durch fliegende Dachziegel eintreten?
Eigentümer müssen im Zweifel nachweisen, dass Schäden bei anderen nicht auf vernachlässigte Instandhaltung des eigenen Hauses oder auf mangelnde Kontrolle des eigenen Baumbestandes zurückgehen. Darauf weist jetzt Haus & Grund Helmstedt und Schöningen unter Bezug auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (Urteil vom 23.11.2016 – 4 U 97/16) hin. Vorsitzender Eckhard Hoßbach ergänzt: „Bei Bäumen reicht es, wenn man zweimal im Jahr ‚auf Sicht‘ kontrolliert, ob die Bäume krank oder vorgeschädigt sind und deshalb eine erhöhte ‚Windwurfgefahr‘ besteht.“
Was die eigenen Schäden angeht, sei im Zweifel der Eigentümer „fein raus“, der in seiner Wohngebäudeversicherung auch über einen Elementarschadenzusatz verfügt. Denn dieses Paket schützt vor den finanziellen Folgen eines Naturereignisses und dadurch eingetretener Schäden zum Beispiel durch Starkregen, Überschwemmungen, Rückstau, Hochwasser, Erdrutsch oder Schneedruck. Sturmschäden, die durch Luftbewegungen über Windstärke 8 nach Beaufort (Windstärke ab 62 km/h) eintreten, sind bereits durch die Wohngebäudeversicherung gedeckt. Zieht der Versicherer in Zweifel, dass es zum Sturm gekommen ist, muss der Eigentümer entsprechende Windstärken nachweisen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.6.2018 – 5 U 58/17) – am besten durch die Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (Telefon: 069 / 80620; www.dwd.de/wettergutachten).
Zum guten Schluss der Hinweis von Haus & Grund Helmstedt und Schöningen: „Geschädigte sollten ihre Versicherung schnellstmöglich informieren und zur Dokumentation gemachte Fotos einreichen und Zeugen benennen. Die Wohngebäudeversicherung tritt bei allen Schäden ein, die durch Feuer, Blitz, Sturm, Hagel oder durch auslaufendes Leitungswasser eintreten. Sie zahlt zum Beispiel bei abgedeckten Dächern, beschädigten Schornsteinen oder bei Schäden durch umgefallene Bäume. Ebenso kommt sie für Folgeschäden am Haus selbst auf. Für Schäden am Hausrat und anderen beweglichen Teilen einschließlich Gartengeräte ist die Hausratsversicherung zuständig, nicht aber dann, wenn die beschädigten Teile im Freien zum Beispiel auf der Terrasse oder auf dem Balkon gestanden haben. Auch hier kommt es auf einen Elementarschadenzusatz an. Schäden wegen vollgelaufener Keller oder Wohnungen werden dagegen nur durch die Elementarschadenversicherung erfasst“, wie Vorsitzender Eckhard Hoßbach bekräftigt.
Zu Schäden im Garten erklärt Vorsitzender Eckhard Hoßbach: „Sind Bäume durch den Sturm geschädigt, deshalb nicht mehr ausreichend standsicher oder gar umgeworfen worden, müssen sie entsorgt werden. Wird dadurch der eigene Rasen oder der Rasen des Nachbargrundstücks durch den Einsatz von Maschinen in Mitleidenschaft gezogen, gehören die dadurch veranlassten Kosten zur Wiederherstellung mit zu den ersatzfähigen Kosten bei Sturmschäden. Die Wohngebäudeversicherung des Baumeigentümers muss dann decken (LG München I, Urteil vom 11.8.2017 – 26 O 8529/16).“
Und weiter: „Wer Glück gehabt hat, sollte zumindest nach dem Sturm das Dach und die sonstigen Gebäudeteile auf eingetretene Schäden überprüfen (so: LG Aurich, Urteil vom 19.1.2018 – 3 O 1102/16).“
Nähere Informationen zum Schutz von Haus und Grundstück vor Unwetterschäden und zur Abwicklung eingetretener Schadensereignisse erhalten Mitglieder bei ihrem örtlichen Haus & Grund Verein in Helmstedt und Schöningen.
Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.