Königslutter. Als Palliativpatient Edwin Schmelter, von Freunden und Familie liebevoll „Eddi“ genannt, am Mittwochnachmittag auf einer Rolltrage von den ASB-Wunscherfüllern in den Kaiserdom in Königslutter bis vor den Altar geschoben wird, setzt die Orgel ein und erfüllt das Gotteshaus mit ihren Klängen. Eddis Freunde und Familie sind angereist, um zusammen mit ihm seinen letzten Wunsch zu erleben.
Denn Edwin Schmelter hat Bauchspeicheldrüsenkrebs und lebt seit Januar dieses Jahres in der Senioren-Residenz Stiemerling in Königslutter. Warum er an diesem Tag im Dom ist? Edwin Schmelter will noch ein letztes Mal ein Orgelkonzert hören, in dem Gebäude, in dem er viele Jahre seines Lebens verbrachte. „Mein Vater liebt diesen Dom. 1986 sind wir als Familie von Söllingen nach Königslutter gezogen. Über dieses Gebäude hat er viele Bücher gelesen, hat regelmäßig an Gottesdiensten teilgenommen und auch bis zu seiner Krebserkrankung im Dom die Aufsicht übernommen. Er ist sogar aus der katholischen Kirche ausgetreten, um der evangelischen Stiftskirchengemeinde beizutreten“, erzählt Edwin Schmelters Tochter Johanna Bötel. Sie ist mit ihrem Mann Manuel und ihren beiden Kindern Kilian und Evelyn sowie ihrer Schwester Veronika Schmelter und ihrer Mutter Christina Schmelter Eddi zu Ehren in den Kaiserdom gekommen.
Andacht mit Orgelkonzert
Königslutters Pastorin Ann-Kathrin Rieken hält für Edwin Schmelter an diesem Tag eine kleine Andacht und findet für ihn liebevolle Worte. Zwischendurch spielt die Orgel ein persönliches Konzert für Eddi, unter anderem eins seiner Lieblingslieder namens „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Hin und wieder schaut sich Eddi um, so als ob er jedes noch so kleine Detail des hohen Gebäudes noch einmal in sich aufnehmen möchte, in Gedanken festhalten will. Eddi winkt seinen Liebsten zu, welche ihm, teils mit Tränen in den Augen, zurückwinken. Immer an seiner Seite: Die Begleiter des ASB-Wünschewagens sowie Ex-Kollegin und langjährige gute Freundin Sabine Lippelt, die ihm im Wünschewagen vom Stiemerling bis zum Kaiserdom begleitet hat und seinen letzten Wunsch ermöglichte. Lippelt war es, die sich mit Eddis Anliegen an den ASB-Wünschewagen wandte. „Vergangene Woche haben wir alle Unterlagen eingereicht und auch sehr schnell eine Antwort vom ASB bekommen, dass alles funktionieren wird“, freut sich Sabine Lippelt.
Die Eisdiele neben dem Dom
Sabine Lippelt kennt Edwin Schmelter schon seit vielen Jahren. Mit ihrer gemeinsamen Freundin Anna Leusmann trafen sie sich in der Vergangenheit regelmäßig in der Eisdiele neben dem Dom und verbrachten dort viele Stunden ihrer Freizeit. Schmelters Tochter Johanna Bötel ergänzt: „Mein Vater liebt die Eisdiele so sehr wie den Dom, mit mir und meinen beiden Kindern ist er dort auch häufig hingegangen. Und wenn das Wetter mal nicht mitgespielt hat, dann hat er uns das Eis zuhause vorbeigebracht. Deshalb bringen ihn Kilian und Evelyn auch immer mit ‚Eis‘ in Verbindung“.
Liebevoll und hilfsbereit
Allgemein beschreibt die Familie Edwin Schmelter als liebevoll und aufmerksam. Da seine Tochter Johanna im vergangenen Jahr eine Knie-OP hatte, unterstützte er sie und ihre Familie, erledigte häufig den Einkauf und brachte sonntags gerne Brötchen für das gemeinsame Frühstück vorbei. Nach der Andacht haben Eddis Wegbegleiter Zeit, sich mit ihm zu unterhalten. Eddi hat für jeden etwas vorbereitet, kleine Geschenke und Briefe für sie mitgebracht. Und nimmt gleichzeitig Abschied.
Noch ein letztes Mal
Auf dem Weg zurück zum Stiemerling macht der ASB-Wünschewagen noch ein letztes Mal Halt an der Eisdiele Venezia. Dort hat Edwin Schmelter bis zu seiner Krebserkrankung regelmäßig sein geliebtes Erdbeereis genossen. Nach der etwa dreistündigen Wünschewagen-Tour geht es für den 63-Jährigen zurück in den Stiemerling und er verabschiedet sich von den ASB-Wunscherfüllern mit einem müden, aber dennoch zufriedenen und glücklichen Gesicht.
Die Wünsche-Erfüller
Schwerstkranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase noch einen besonderen Wunsch erfüllen ist die Aufgabe der ASB-Wünschewagen. Seit über fünf Jahren bringen engagierte Samariter mithilfe des ausschließlich aus Spenden finanzierten Projekts Menschen am Ende ihres Lebens gut umsorgt noch einmal an ihren Lieblingsort. Bei Fragen oder Anmerkungen bezüglich des ASB-Wünschewagens ist die für Niedersachsen zuständige Ansprechpartnerin Julia-Marie Meisenburg unter der Telefonnummer 0511/35854888 oder per E-Mail an wuenschewagen@asb-hannover.de erreichbar. Weitere Informationen finden Interessierte auch auf der Webseite www.wuenschewagen.de/niedersachsen.
Natalie Tönnies, geboren 1999 in Schönebeck (Elbe), ist das Küken in der Redaktion des HELMSTEDTER SONNTAG und steckt mitten in ihrem Volontariat. Die Danndorferin ist eine leidenschaftliche Sportschützin mit einer kleinen Abneigung gegenüber (Führerschein-)Prüfungen. Sie schreibt unheimlich gerne die Fleischerseite des HELMSTEDTER SONNTAG.