Erster Teil (erschienen am 6. August 2023): Brauche ich das – oder kann das weg?

Der Sommer neigt sich allmählich dem Ende zu und während die einen ihm schon jetzt hinterhertrauern, dürfte sich die andere Hälfte freuen. Denn nun ist die Zeit gekommen, in der Einzelhändler ihre Ware „loswerden“ wollen und den großen Sommer-Sale starten. Teilweise bis zu 70 Prozent Rabatt bieten die Verkäufer den Kunden: ein vermeintliches Schnäppchen. Glücklich darüber, Geld gespart zu haben, wird die Ware nach Hause gebracht und dem ein oder anderen wird dabei auffallen, dass so langsam der Platz knapp wird. Die Frage, die sich dann stellt ist: „Brauche ich das wirklich?“

Im Monatsthema im August soll es um den Minimalismus gehen. Was bedeutet dieser Begriff? Wie kommt man von übermäßigem Konsum weg? Und können so genannte Tiny Houses dabei helfen?

Nur das Nötigste

Minimalismus findet sich in der Kunst wieder, und zwar als Minimal-Art. Typisch für Skulpturen und Objekte des Minimalismus ist das Reduzieren auf einfache und übersichtliche, meist geometrische Grundstrukturen. Und diese Definition findet sich ebenso im Lebensstil wieder. Wer minimalistisch lebt, verzichtet auf Überflüssiges und besitzt nur das Nötigste.

Das bewirkt der Minimalismus

Dieser auf das Wesentliche beschränkte Lebensstil wirkt sich auf die menschliche Psyche aus.

Die Website www.careelite.de präsentiert fünf Beispiele, welche Wirkungen damit einhergehen.

Die erste Bewirkung beschreibt die Bedeutung der Gegenstände, die man besitzt. Sei es ein Kuscheltier, der Lieblingspullover oder ein einfacher Holzstuhl: Gegenstände können Menschen am Herzen liegen. Minimalismus lehrt Personen, auf Dinge zu achten und sie zu pflegen, anstatt sie sofort wegzuwerfen, wenn sie kaputt sind. Das hat ebenso einen psychologischen Grund, wie die Website erklärt: „Durch die bewusste Beschränkung auf wenige Gegenstände entwickelt sich eine stärkere Verbundenheit zu einzelnen Dingen, denen in Folge ein größerer Wert beigemessen wird. Du gibst den Dingen die Gelegenheit, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Dies kann zu dem paradoxen Gefühl führen, dass du zwar objektiv gesehen weniger besitzt, dein Besitz sich jedoch als sehr wertvoll anfühlt. Das ist definitiv einer der wichtigsten Aspekte der Minimalismus-Psychologie“.

Ruhe und Gelassenheit

Wer kennt es nicht: Man kommt nachmittags von der Arbeit und möchte entspannen. Doch der Wäschehaufen, das dreckige Geschirr oder der vollgestellte Tisch machen einem ein schlechtes Gewissen. Je weniger Gegenstände man besitzt, desto weniger hat man jedoch zum Aufräumen. Minimalismus bringt deshalb Ruhe und Gelassenheit in das Leben jedes Menschen.

Ab und zu etwas gönnen

Wenig zu besitzen heißt nicht, gar nichts mehr zu kaufen. Wer sich jedoch jede Woche neue Schuhe kauft, verliert den „Genuss“, den ein Shoppingerlebnis mit sich bringt. Durch eine bewusste Einschränkung des Konsumverhaltens erscheinen Augenblicke des Genusses umso mehr als etwas Besonderes. Wer also nur, wenn überhaupt, etwa alle sechs Monate neue Schuhe kauft, bei dem ist das Genusserlebnis deutlich höher.

Mit sich selbst beschäftigen

Wer nicht permanent einer Reizüberflutung durch zu viel „Unnötigem“ ausgesetzt ist, ist irgendwann gezwungen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Psychologen reden dabei von einer „persönlichen Weiterentwicklung“, da Menschen so eine bessere Innensicht bekommen.

Mehr soziale Kontakte

Minimalismus heißt nicht nur, sich dem Konsumzwang entgegenzustellen, sondern ebenso mal das Handy abzuschalten oder sich aus seinen Social Media Accounts auszuloggen. Careelite.de beschreibt, welchen Effekt es hat, wenn Menschen eine „Mediendiät“ machen: „Sie hatten wieder mehr das Bedürfnis, soziale Kontakte zu pflegen, wodurch sich häufig ihre sozialen Beziehungen verbessert haben und ihr Leben insgesamt an Qualität gewonnen hat. Denn gelungene soziale Beziehungen sind ein in vielen Studien nachgewiesener Faktor für das Gefühl von Glück“.


Zweiter Teil (erschienen am 13. August 2023): Minimalismus geht dem Konsum an den Kragen

Wenig besitzen und trotzdem glücklich sein – wie sich das auswirken kann, wurde im vergangenen Teil des Monatsthemas im August beleuchtet. In dieser Woche soll es darum gehen, wie man Schritt für Schritt einen minimalistischen Lebensstil erreichen kann.

Entrümpeln

Ein erster Schritt dorthin ist, alle Gegenstände, die man kaum bis gar nicht nutzt, zu verbannen. Dazu gehören Dekoartikel oder Kleidungsstücke. Diese müssen aber nicht entsorgt werden. Auf Flohmärkten oder im Internet wird man diese schneller los und man kann sich über wesentlich mehr Platz freuen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dieser sofort mit neuen Klamotten oder Dekosachen gefüllt werden muss, denn das ist nicht der Sinn von Minimalismus.

Das Konsumverhalten ist ein wichtiger Punkt auf dem Weg zum minimalistischen Lebensstil.

Wer sich kritisch mit Fragen des Konsums auseinandersetzt, merkt, dass viele Käufe nur Ersatzbefriedigungen sind. Shopping verschafft einen schnellen Kick und setzt Glückshormone frei. Aus diesem Grund kaufen Menschen dann immer mehr, damit das Gefühl anhält.

Minimalistische Menschen machen sich diesen Umstand immer wieder bewusst und widerstehen den Verführungen der Einkaufsstraßen und Onlineshops.

Sie wissen, dass das Glück einer Online-Bestellung niemals lange anhält – und dass die viel einfacheren Dinge des Lebens uns reineres und echteres Glück bescheren.

Finanzieller Minimalismus

Wer wenig kauft, gibt logischerweise wenig aus. Minimalismus kann aber noch ganz andere Auswirkungen auf Geld haben.

Wer minimalistisch lebt, fragt sich vor jedem Kauf „Brauch ich das wirklich?“. Das hat dann aber nichts mit Geiz zu tun, sondern eher mit der Frage, ob ein Produkt das Geld wirklich wert ist. Das gilt vielleicht nicht für Lebensmittel, aber für andere Produkte schon, wie Schuhe, Taschen, Bücher, Vasen und vieles mehr.

Wer finanziell minimalistisch leben will, sollte auch alle Konten und Ausgaben auf den Prüfstand stellen.

Hat man zu viele Konten, die man eigentlich nicht braucht? Braucht man wirklich vier verschiedene Abos bei Streaming-anbietern?

Minimalisieren ist Vereinfachen und Verschlanken – in Finanzdingen hat das den positiven Nebeneffekt, dass es einen reicher und unabhängig macht.

Endgeräte zur Seite legen

Wann war das letzte Mal, dass ich aktiv Fernsehen geschaut habe? Diese Frage sollte sich jeder einmal stellen. Denn Personen, die sich gar keine Fernsehsendungen ansehen, brauchen im Endeffekt den TV gar nicht.

Was das Smartphone angeht, muss dieses nicht gleich aufgegeben werden. Doch Minimalismus bedeutet unter anderem, mit wenig auszukommen und dabei gilt auch eine reduzierte Handyzeit.

In den Einstellungen des Smartphones findet man die so genannte Bildschirmzeit, eine Art Statistik, die zeigt, wie viel und oft das Handy benutzt wird.  Dies kann man reduzieren, indem man aktiv sein Handy beim Essen, Kochen, Lesen und anderen Aktivitäten zur Seite legt oder sogar ausstellt.


Dritter Teil (erschienen am 20. August 2023): Kaufhäuser als Zeichen von Luxus

Der französische Schriftsteller Èmile Zola bezeichnete die neuen Warenhäuser 1884 als „Kathedralen des modernen Kommerzes“. Damit meinte er die Kaufhäuser, in denen Kunden alles, was sie brauchten, unter einem Dach hatten. Mussten sie vorher von Geschäft zu Geschäft laufen, konnten sie so bequem alles in einem Gebäude kaufen, wie zum Beispiel Kleidung, Möbel, Spielwaren und sogar Lebensmittel.

Welchen Einfluss das auf die Bürger hatte, wird in diesem Teil des Monatsthemas „Minimalismus“ beleuchtet.

Die Historikerin Nadine Garling nimmt dafür das Berliner Warenhaus Wertheim als Beispiel. 1897 wurde dieses am Leipziger Platz eröffnet und schon bald zu einer Sehenswürdigkeit für Alte und Junge, Arme sowie Reiche.

„Die vertikale Fassadengliederung, die elektrische Beleuchtung, repräsentative Treppenaufgänge, große, meterlange Schaufenster, eine Dachterrasse: All das waren Elemente, die dieses Sakrale, dieses Luxuriöse prägten“, so Garling.

Ein Besuch im Kaufhaus war für viele Familien fast schon ein Ausflug, wo sie es sich gut gehen lassen konnten. Ebenso das Schaufensterbummeln nahm dort seinen Anfang.

Richtig ausleben konnten die Menschen in Deutschland ihren „Kaufrausch“ in den 1950er Jahren. Eine neue Wirtschaftsordnung, die „Soziale Marktwirtschaft“ wurde von Ludwig Erhard geschaffen.

Die Förderung der Industrie steht am Anfang des wirtschaftlichen Aufschwungs. Als Basis und Energielieferanten werden Bergbau und Stahlindustrie aufgebaut, später gewannen Maschinenbau, Chemie und Elektroindustrie an Bedeutung.

Auch die private Kaufkraft nahm Mitte der 50er Jahre Fahrt auf.

Die Lebenserhaltungskosten stagniserten und so blieb mehr Geld über für den Konsum. Autos, Möbel, Kleidung, Urlaub und Elektrogeräte – das alles konnten sich die meisten Deutschen leisten. Massenfertigungen von Konsumgütern sorgten dafür, dass die Preise für Radios, Fernseher und vieles mehr, fielen. Mit zinsgünstigen Baukrediten wurde vielen Bürgern sogar der Traum vom eigenen Haus ermöglicht.

Kaufboom in den 50er Jahren

Den Begriff des Kaufrausches aus den 1950er Jahren gibt es heute noch und er kommt immer mal wieder vor. Heute allerdings wird er eher negativ definiert und mit dem Begriff „Kaufsucht“ verglichen.

Fachleute sprechen in der Hinsicht von einer Verhaltenssucht.

Menschen mit Kaufsucht haben ein unkontrollierbares Verlangen danach, etwas zu kaufen.

„Zu Beginn der Sucht kann es schwierig sein, Kaufsucht von herkömmlichem Kaufverhalten zu unterscheiden. Bei Fortschreiten der Kaufsucht wird das Verlangen nach Kaufen immer stärker. Nach und nach wird das Kaufen zu einem ganz zentralen Lebensinhalt. Nicht immer handelt es sich um Produkte, die gekauft werden. Betroffene nehmen gegebenenfalls auch in großem Ausmaß -Dienstleistungen in Anspruch“, schreibt beispielsweise www.gesundheit.gv.at.

Beim Vorgang des Kaufens entstehe so eine starke Befriedigung, die jedoch nicht lange anhält. Verzichten Betroffene auf das Kaufen, könnte es zu einer inneren Unruhe oder Gereiztheit kommen. Wie bei anderen Süchten fällt es Betroffenen schwer, das problematische Verhalten zu erkennen oder sogar zu behandeln.


Vierter Teil (erschienen am 27. August 2023): Durch Tiny Houses zum Minimalismus

Während in der vergangenen Woche über den Aufstieg der Kaufhäuser und den damit einhergehenden Kaufrausch berichtet wurde, soll es im letzten Teil des Monatsthemas „Minimalismus“ wieder um den Lebensstil selbst gehen – nämlich in Form von Tiny Houses. Was hat es mit ihnen auf sich und wo kommt dieser Trend her?

Leben auf kleinem Raum

„Tiny Homes, auch als Mikro- oder Minihäuser bekannt, stellen einen neuen Wohntrend aus den USA dar und verzeichnen seit der Finanzkrise 2007 einen steigenden Popularitätszuwachs. Typisch ist die geringe Wohnfläche von unter 40 Quadratmetern – oft sind es deutlich weniger. Nicht nur die nutzbare Fläche hält sich in bescheidenen Dimensionen, sondern ebenso die minimalistische und auf Funktionalität bedachte Inneneinrichtung. Zudem verfügen zahlreiche Tiny Homes über ein Fahrgestell und sind mobil, sodass sie sich in flexible und ortsungebundene Lebensstile einfügen“, schreibt die Website www.engelvoelkers.com, die sich auf die Vermittlung hochwertiger Wohnimmobilien spezialisiert hat.

Im Gegensatz zu normalen Wohnhäusern kosten Tiny Houses weniger. So können sich Käufer mit geringem Eigenkapital den Wunsch eines Eigenheimes finanzieren.

Nur das Nötigste

Tiny Houses besitzen meist ein Badezimmer, eine Küche und einen Schlafbereich. Den restlichen Wohnraum kann man gestalten wie man möchte – beispielsweise mit einer Sitzgelegenheit, einem Schreibtisch oder einem Essbereich.

Dabei verfügen mobile Tiny Houses über ein Fahrgestell, was den Besitz eines eigenen Grundstückes überflüssig macht.

Deshalb besitzen Menschen Tiny Houses

„Tiny Homes verkörpern einen minimalistischen Lebensstil, der sich von materiellen Werten abwendet. Zugleich ist der Trend als Reaktion auf sich verändernde Immobilienpreise in Ballungszentren deutbar. Attraktiv ist er für Menschen mit besonders mobilem Lebensstil, etwa digitale Nomaden. Sie können ihre Immobilie verkaufen und sich im eigenen Tiny House fortan temporär an verschiedenen Orten niederlassen. Praktisch sind die Minihäuser zudem für Menschen, die berufsbedingt häufig umziehen. Und schließlich lassen sie sich sogar mit in den Urlaub nehmen“, schreibt engelvoelkers.com weiter.

Bewusster einkaufen

Lebt man in einem Tiny House, wird automatisch darauf geachtet, was man in welchen Mengen einkauft. Denn ohne Dachboden oder Keller fällt es schwer, Gegenstände richtig zu verstauen.

Vor jedem Einkauf sollte sich also die Frage gestellt werden, ob er wirklich notwendig ist. Wenn ja, sollte außerdem auf die Läden vor Ort zurückgegriffen werden, um diese zu unterstützen. Online-Shopping ist zwar bequem, kann jedoch zur Gefahr von ortsansässigen Händlern werden.

In kleinen Schritten

Natürlich muss man nicht von jetzt auf gleich den Großteil seines Hab und Gutes aufgeben und in ein Tiny House ziehen. Für Menschen, die sich jedoch sowieso verkleinern wollen, ist dies aber schon eine gute Gelegenheit, um nach und nach ihren Haushalt zu entrümpeln und so dem einem minimalistischen Lebensstil näherzukommen.

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Natalie Tönnies, geboren 1999 in Schönebeck (Elbe), ist das Küken in der Redaktion des HELMSTEDTER SONNTAG und steckt mitten in ihrem Volontariat. Die Danndorferin ist eine leidenschaftliche Sportschützin mit einer kleinen Abneigung gegenüber (Führerschein-)Prüfungen. Sie schreibt unheimlich gerne die Fleischerseite des HELMSTEDTER SONNTAG.