Wenn überdurchschnittlich intelligente Menschen im Leben nicht zurecht kommen, schulisch unterdurchschnittliche Leistungen erbringen, eventuell negativ auffällig sind und vielleicht sogar Anzeichen von Depressionen und Burnout zeigen, dann wird oftmals der hohe Intelligenzquotient (IQ) für das Scheitern verantwortlich gemacht. Ist also ein überdurchschnittlich hoher IQ sogar hinderlich für den beruflichen Erfolg oder macht die Intelligenz sogar unglücklich? Gibt es hinsichtlich der allgemein angestrebten Lebensmodelle ein „zu schlau“? 

Der HELMSTEDTER SONNTAG widmet sich in seiner Reihe „Ist das wirklich so?“ den Fragen des Alltags. Diesmal geht es um das Vorurteil, die Höhe des Intelligenzquotienten sei ein Erfolgs- und Glücksfaktor. 

Immerhin hält sich die Meinung, dass dumme Menschen glücklicher seien, weil sie Zusammenhänge weniger gut verstehen könnten, sich entsprechend weniger Sorgen machen und allgemein eine eher geringe Fähigkeit der Selbstreflexion und Selbstkritik vorweisen würden. 

Im Gegenzug müsse angenommen werden, dass schlauere Menschen sich zu viel sorgten, sich oftmals selbst im Weg stehen und Aufgaben und das Leben selbst durch zu hohe Ansprüche und unnötiges Problemsuchen verkomplizierten. 

Ist das wirklich so? Ist hinsichtlich der Intelligenz das Mittelmaß der Weg zum Erfolg? 

Lässt sich der IQ berechnen und was macht ihn aus? 

Um die Frage zu beantworten, gilt es vorab festzulegen, was Intelligenz überhaupt ausmacht, wofür sie steht und wie sie berechnet werden kann. 

Der IQ, der vor über 100 Jahren erstmals als Berechnung für das Ausmaß der menschlichen -kognitiven Fähigkeiten erstellt wurde, basiert auf dem von Alfred Binet erstellten Binet-Simon-Test, der das Intelligenzalter mit der Leistungsfähigkeit eines Menschen gleichsetzte, diese durch das Lebensalter teilte und mit dem Faktor 100 multiplizierte (wikipedia.de). Der daraus gewonnene Quotient dient als Kennzahl zur Klassifizierung des intellektuellen Leistungsvermögens. Wichtig ist, dass sich dieser immer nur auf den jeweiligen Test bezieht, von denen es seit 1905 unzählig viele stetig verbesserte Modelle gibt. Obwohl Intelligenz zu den am intensivsten untersuchten Eigenschaften gehört, sind sich Forscher bis heute uneins darüber, was sie ausmacht (www.spektrum.de) und immer noch fehlt es an einer wissenschaftlich anerkannten, eindeutigen Definition von Intelligenz. Sicher ist, dass ein hoher IQ nichts mit Bildung per se oder der erreichten Leistung zu tun hat. 

Wohl aber definiert der IQ die  „Fähigkeit“, diese Leistung abzurufen und zu erbringen. 

Für die Berechnung der Intelligenz legte Binet damals den Mittelwert mit 100 fest, daran hat sich bis heute nichts geändert. Bei einer Standardabweichung von 15 Prozent ist also ein IQ zwischen 85 und 115 als normal anzusehen. Darunter wird von unterdurchschnittlicher, darüber von einer überdurchschnittlichen  Intelligenz gesprochen. Liegt der IQ unter 65 ist von einer geistigen Unterentwicklung auszugehen, wohingegen ab einem IQ von 130 von einer Hochbegabung gesprochen wird. Wer bei einem Test einen Wert oberhalb von 145 erzielt, kann sich zur internationalen Elite zählen, denn immerhin erreichen nur geschätzte zwei Prozent der Menschen diesen Wert. Allerdings können Messergebnisse je nach aktueller psychischer und physischer Verfassung schwanken und auch die Testaufgaben selbst können trainiert werden, sodass mit Übung höherer Werte erzielt werden (neuronation.com).

In Deutschland beträgt der durchschnittliche IQ genau 100, damit liegt die Bundesrepublik auf Platz 15 im Ländervergleich (laenderinfo.com). Spitzenreiter sind ausnahmslos bevölkerungsreiche ostasiatische Länder wie China (104), Japan (105), Taiwan und Südkorea (106) und Tabellenanführer Hongkong und Singapur (108). Gemein ist diesen Ländern, dass sie ein überdurchschnittlich hohes Bildungsaufkommen haben, welches nicht vom Staat gelenkt wird; sprich: in diesen Ländern bezahlen die Familien für die Bildung der Kinder, nicht die Allgemeinheit. 

Ein weiterer kurioser Fakt ist der Zusammenhang zwischen Klima und IQ: mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass sich wärmeres Klima negativ auf die  Entwicklung des Gehirns und der Intelligenz auswirkt. 

Der Grund wird vorwiegend in dem hohen körperlichen Energiebedarf und dem dadurch entstehenden Stress gesehen. Insbesondere Kleinkinder verwenden bis zu 90 Prozent der Körperenergie für das Gehirn. 

Wenn in dieser für die Entwicklung wichtigsten Lebensphase die Energie anderweitig benötigt wird, kann sich das Gehirn nicht entsprechend entwickeln. Demgemäß gering ist laut Länderstatistik der IQ der Menschen aus Entwicklungsländern, die mit einem Wert unterhalb von 70 die 20 letzten Plätze einnehmen. 

Was hat der IQ mit Lebenserfolg zu tun?

Die statistischen Daten geben aber noch keinen Antwort auf den vermeintlichen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und IQ. Hartnäckig hält sich die Vermutung, dass es intelligentere Menschen schwerer haben, sich im Leben zurecht zu finden. In diesem Zusammenhang wird von den „zwei Gesichtern der Intelligenz“ gesprochen.  

Zwar sei eine hohe Intelligenz in allen Lebensbereichen vom Vorteil, doch zu hoch im Sinne einer Hochbegabung wirke sich negativ auf das Lebensmodell der Betroffenen aus. Menschen mit einem überdurchschnittlich hohen IQ seien einsam, litten häufiger an Depressionen und kämen schon in jungen Jahren mit dem angebotenen Schulstoff und den Lehrmethoden nicht zurecht. Die Folge: Underarchievement (unterdurchschnittliche Leistungen weit unter den Erwartungen) und negative Auffälligkeit sowie bei Jungs oft auch -aggressives Verhalten und Suchtanfälligkeiten. 

Dem widerspricht jedoch die Auswertung dreier Langzeitstudien der Wissenschaftler um Matt Brown vom Autism and Developmental Medicine Institute in Lewisburg (USA), die sich über mehrere Jahrzehnte mit den Daten von rund 50.000 Probanden beschäftigten: „Höhere kognitive Fähigkeiten sind generell von Vorteil – und praktisch nie schädlich.“ 

Nach den Ergebnissen nahm das Jahreseinkommen parallel zum IQ und der schulischen Laufbahn exorbitant zu. Allerdings, so die Kritik an der Studie, berücksichtige die Auswertung keine Randgruppen der IQ-Kurve (siehe Bild), sondern nur Probanden, die sich im ungefähren Durchschnitt des Intelligenzsspektrums bewegten.                                                                                                                         

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Katharina Loof, geboren 1980 in Nordrhein-Westfalen, begann ihre journalistische Tätigkeit im Kölner Raum, bevor sie 2010 nach Schöningen zog. Die dreifache Mutter mag Dorf-Klüngel und Pflastersteine auf vollen Marktplätzen. Am Lokaljournalismus schätzt die Esbeckerin die Nähe zum Menschen. Die Karnevalistin tritt gerne mal zu stark auf’s Gas: sowohl im Fahrzeug als auch bei der Freigabe der Autokorrektur.