Helmstedt/Lehre. „Havelland in Frauenhand“ lautete das treffliche Motto, zu dem 140 Frauen aus Helmstedt und Lehre zu Besuch nach Potsdam fuhren.
Organisiert wurde die kulturelle Busfahrt von den Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Helmstedt, Claudia Löw, und der Gemeinde Lehre, Brigitte Steck. „Aufgrund der großen Nachfrage sind wir mit drei Bussen in die Brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam gefahren“, so Claudia Löw, „wir freuen uns sehr, wenn eine kulturelle Fahrt so gut angenommen wird“. Brigitte Steck ergänzte: „Die schöne Stadt ist immer eine Fahrt wert und durch die Stadtfuührungen mit dem frauenspezifischen Fokus, gibt es viel Neues zu erkunden“.
In zwei Gruppen ging es auf Entdeckungstour
Empfangen wurden sie vor Ort von der Stadtführerin Dörthe Kuhlmey, die mit „Havelland in Frauenhand“ eine historische Zeitreise zu den mutigen Frauen von Potsdam anbietet. Zusammen mit der zweiten Stadtfuührerin, der Soziologin Jeanette Toussaint ging es für die Besucherinnen aus Niedersachsen dann in zwei Gruppen geteilt auf Entdeckungsrunde.
„Potsdam gehört zu den FrauenOrten. In Vorbereitung auf die EXPO 2000 hat die Sachsen-Anhalt-Frauen-Initiativ-Runde (SAFIR) dieses Projekt ins Leben gerufen. FrauenOrte kennzeichnen die Wirkungsstätten besonderer Frauen der Stadt oder der Region. Mit Informationstafeln wird auf das Leben der mutigen Frauen hingewiesen, die die Gesellschaft aktiv und maßgeblich mitgestaltet haben. Mittlerweile gibt es FrauenOrte in Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen“, erklärte die Frauenbeauftragte des Potsdamer Kirchenkreisen Kuhlmey.
Königin Luise an erster Front
Die Frauen von Potsdam, das ist allen voran natürlich Königin Luise. Und so starteten die Stadtrundgänge am Luisenplatz, gleichwohl mit dem Hinweis, dass der Platz schon viele Gesichter hatte. Von der angelegten Parkanlage zu Ehren der Königin, zum Parkplatz in DDR-Zeiten und zum Demonstrationstreffpunkt vor der Wende. Heute wird der hell angelegte Platz vor dem Brandenburger Tor von einer einzigen Frau ehrenamtlich begrünt. Der Unverpackt-Laden gleich gegenüber ist ebenso eine aktuell bemerkenswert mutige Initiative einer einzelnen Unternehmerin in Potsdam.
Mutige und außergewöhnliche Frauen gab es in Potsdam einige. So zum Beispiel Käthe Pietschker (1861-1949), eine Tochter von Werner von Siemens, Stifterin des „Werner-Alfred-Bades“. Sie griff die empörte Anmerkung ihres Sohnes auf, dass die Badekultur in Potsdam noch so zurück in der Kultur sei. Und so wurde er zum Namensgeber der 1913 eröffneten Badeanstalt im Jugendstil mit Dusch- und Wannenbädern. Oder auch Anne-Marie Baral (1728-1805): Glück, Geschick und berufliche Mehrfachqualifikationen machten sie zur damaligen Spitzenverdienerin im Bereich des Kultivierens und Haspelns von Seide.
Da führte kein Weg vorbei: „Evas Sünde“
Aber es gibt noch weitere Frauen, die nicht so bekannt sind, dass es zu ihrer Erinnerung eine Texttafel gibt. „Es sind auch Potsdams unbekannte Frauen, die gesellschaftsprägend waren, aber selbst den Einheimischen nicht im Bewusstsein sind. Ich möchte in meinem Rundgang auch das Leben von Frauen vorstellen, die nicht durch ihren Mann bekannt waren, wie Constanze Storm, die Gattin von Theodor Storm“, so die zweite Stadtführerin und Ausstellungskuratorin Toussaint. Und so zeigte sie die ehemalige erste städtische Bürgerschule für Mädchen, die um 1900 um ein Lehrerinnen-Seminar erweitert wurde, wies auf den großen Arbeitgeber für Frauen, die Konservenfabrik, hin und stellte die erste und einzige Polizeiführsorgerin von Potsdam vor.
Natürlich führte der Weg auch vorbei am Eiscafé „Evas Sünde“. Dort hat eine Potsdamer Initiative zum 100. Jubiläumsjahr des Frauenstimmrechts ein „Frauenwahllokal“ eingerichtet. Bei Kaffee und Kuchen können sich Interessierte dort die von Jeanette Toussaint kuratierte Ausstellung über den langen Weg zum Wahlrecht und die ersten Politikerinnen der Region ansehen. Eine historische Anknüpfung bietet der Ort: Bereits zur Wahl der Nationalversammlung im Januar 1919, an der erstmals Frauen teilnehmen konnten, befand sich dort ein Wahllokal.
Nach einem Mittagsimbiss und vielleicht einem leckeren Stück Käsekuchen im Holländischen Viertel der Stadt ging es dann am Abend, wieder vom Luisenplatz aus, zurück in den Landkreis Helmstedt.
Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.