Wolfsburg/Helmstedt. Beim Vorstand des Kreisverbandes Wolfsburg-Helmstedt des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) hat die Ankündigung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, ab Montag Gaststätten und Restaurants in Niedersachsen wieder zu öffnen, für mehr als Erstaunen gesorgt.

Mit großer Verwunderung hätten die Vorsitzenden des DEHOGA-Kreisverbandes Wolfsburg-Helmstedt, Melanie Perricone und Florian Hary, zusammen mit ihrem Schriftführer Heiko Sturm die Pressekonferenz des Landes Niedersachsen am Montag, 4. Mai 2020, verfolgt, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung.

„Nicht das, was wir gefordert und erhofft haben“

In einer kurzfristigen Telefonschalte danach seien sich alle drei einig gewesen: „Das ist nicht das, was wir als DEHOGA-Kreisverband gefordert und uns erhofft haben.“
In einer Stellungnahme der niedersächsischen DEHOGA-Bezirksverbände, um die das Wirtschaftsministerium gebeten hatte, seien sich alle Bezirksverbände einig gewesen, dass eine vorschnelle Öffnung der Gastronomie keine gute Idee sei. Laut des Kreisverbandes sei der Tenor dabei eindeutig gewesen, dass man lieber warten wolle, bis Planungssicherheit besteht, und unter soliden Bedingungen die Gastronomiebetriebe wieder öffnen möchte.

Dazu gehöre in erster Linie die Wirtschaftlichkeit. Diese könne nur erreicht werden, wenn betriebsbezogene Konzepte zum Schutz der Gäste Anwendung finden und nicht pauschal nur die Hälfte der Gäste bewirtet werden darf.
„Natürlich freuen wir uns, dass man uns nun Perspektiven und Fahrpläne gibt. Es fehlt aber der nötige Vorlauf“, betonte Melanie Perricone. „Es kann nicht sein, dass bei einer Pressekonferenz den Menschen im Land suggeriert wird, dass ab nächsten Montag die Restaurants wieder geöffnet haben, am Ende aber erst noch einmal auf die Beratungen am Mittwoch verwiesen wird. Erst recht, dass man erst hinterher die Rahmenbedingungen präsentiert, verwirrt zusätzlich. Man sollte, bevor man so etwas veröffentlicht, die Bedingungen klar kommunizieren.“

Gäste und Mitarbeiter reagieren verärgert auf das Hin und Her

Durch das ewige Hin und Her werde es nicht besser und am Ende seien die Gäste verärgert, betont Perricone. Auch die Mitarbeiter, insbesondere die, die in Kurzarbeit sind, würden gerne wissen, woran sie sind und wie es weiter geht. Natürlich könne man sich auf Grund der derzeitigen Erlasse schon Gedanken machen, dies habe sicherlich auch jeder Betrieb bereits für sich gemacht. Letztendlich gelte es aber, die konkreten Eckdaten zu wissen um zielorientiert planen zu können.

Bereits kurz nach der Pressekonferenz hätten in zahlreichen Betrieben die Telefone geklingelt und die Gäste hätten sich darüber gefreut, ab Montag wieder essen gehen zu können. „Diese Freude mussten wir sofort dämpfen“, äußerte Florian Hary. „Aktuell ist überhaupt nicht klar, wie das Ergebnis am Mittwoch ausfallen wird und zu welchen Bedingungen eine Öffnung möglich ist. Das Argument der Wirtschaftlichkeit können wir hier nicht erkennen.“
Die Gastronomen hätten diese Nachricht teils mit Freude, teils mit großer Skepsis aufgenommen, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Melanie Perricone mahnte zur Vorsicht, noch sei es nicht verabschiedet. „Wenn man jetzt bei den Betrieben falsche Hoffnungen schürt und dann nachher zurück rudert, ist das ein schlechtes Zeichen und führt zu erneutem Frust. Natürlich haben wir absolutes Verständnis dafür, dass die Gäste ausgehen möchten und zahlreiche Betriebe mit den Hufen scharren – die sist uns besonders wichtig zu betonen“, so Florian Hary.

„Dennoch werden wir nicht müde, auf realistische Bedingungen zu verweisen“, ergänzte Perricone.

„Wir freuen uns über jeden Gast, der wieder in unsere Betriebe kommt. Aber wir wollen die Gäste auch dauerhaft halten. Das Verständnis vieler Gäste ist, dass es so weiter geht, wie es vor Corona war. Wir müssen hier sehr deutlich sagen, dass es das erst mal nicht gibt“, mahnte Heiko Sturm. Natürlich sei aktuell der Drang da, wieder auszugehen. „Wenn mir dies aber nur mit einer weiteren Person, die nicht im Haushalt lebt, gestattet ist, dann ist es nicht das, was die Gäste sich wünschen.“

„In keinster Weise nachvollziehbar“

„Wenn wir am Montag öffnen dürften und die Kontaktbeschränkungen weiterhin so bestehen bleiben wie bisher, ist das in keinster Weise nachvollziehbar“, betont Heiko Sturm. Wie viele Gäste dürfen an einem Tisch sitzen, sind Familienfeiern erlaubt? Müssen alle eine Maske tragen, wo muss überall Desinfektionsmittel stehen? Wie empfindet der Gast diese Einschränkungen?
„Und ganz davon abgesehen. Welcher Betrieb kann überhaupt die strengen Corona-Regeln der Berufsgenossenschaft umsetzen? Diese Regeln sind reine Theorie. In der Praxis ist das nur von den wenigsten Betrieben leistbar. Alle Gastronomen, die sich jetzt über die Öffnung freuen, haben diese Auflagen mit Sicherheit noch nicht im Detail gelesen“, so Sturm weiter.
Die immer wieder benannten Hygienekonzepte sollten dann auch für Hotels konkretisiert werden. Darf es zum Beispiel ein Frühstücks-Buffet geben? Und wenn nicht, was macht dann ein Hotel beim Frühstück? Soll man dann in großen Häusern 100 Gästen morgens das Frühstück aufs Zimmer bringen? Das ist sicherlich eine Möglichkeit, aber ob diese leistbar ist, stellte Florian Hary in Frage. Heiko Sturm nahm seinen Betrieb als Beispiel: „Unsere Stammgäste schätzen unser Frühstücksbuffet, wenn ich dieses nun am Tisch serviere oder hinter großen Plastikscheiben mit Einwegbesteck zur Warenaufnahme und mit Infektions-Schutzhandschuhen versehe, ist das sicherlich nicht mehr das, was die Gäste haben möchten. Die Erwartung ist nunmal anders. Es geht im Restaurant nicht um die reine Nahrungsaufnahme wie in einer Kantine, sondern um ein Erlebnis – ein Event“.

DEHOGA hat dem Land eine deutliche Stellungnahme übergeben

Der DEHOGA-Kreisverband habe klare Vorstellungen davon, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen eine Öffnung der Betriebe wirtschaftlich möglich wäre. „Dieses haben wir in der DEHOGA-Stellungnahme zum Öffnungskonzept des Landes Niedersachsen auch deutlich so mitgeteilt“, erklärte Perricone weiter. „Wir haben auch mit verschiedenen Politikern gesprochen, die alle unserer Meinung waren und uns ihre Unterstützung zusagten. Alle zeigten sich verständnisvoll, aber am Ende kommt dann dieser Schnellschuss der Landesregierung dabei heraus. Das ist keine große Hilfe.“

Grundsätzliche sei ein Stufenplan, so wie er in der Pressekonferenz vorgestellt wurde, sehr gut und genau das, „was wir uns wünschen. Aber mit einem entsprechend großen Vorlauf und dann auch mit dem DEHOGA abgestimmt und nicht als politischer Vorschlag“, so Florian Hary.
„Auch wir müssen planen“, betonte Sturm. Es werde nicht einfach der Schlüssel umgedreht und die Gäste kommen. „Man muss sich überlegen, wie man die Vorgaben erfüllen kann, wie man die Gäste kurzfristig erreicht und genug Reservierungen generieren kann und natürlich ein Speiseangebot zusammenstellen, welches den veränderten Bedingungen entspricht. Auch die Lieferanten müssen ja entsprechenden Vorlauf haben, um die Waren ordern zu können und auszuliefern. Der Großhandel hat sein Sortiment und die Bestände in den letzten Wochen durch die Corona-Krise ebenfalls runtergefahren und der vorhandenen Situation angepasst. Dieser muss also auch erst mal Zeit haben, die Bestände wieder hochzufahren. Sonst wird der Start gleich wieder zu einem Desaster.“

Rettungsschirme und leichtere Zugänge zu Krediten sind wichtiger

Einstimmig untermauerten alle Drei nochmal die Forderung nach Rettungsschirmen und leichteren Zugängen für Kredite der NBank und kfw-Bank, aber auch bei den Hausbanken. Es müsse möglich sein, gerade jetzt, wo das Geschäft wieder angefahren wird und da bei einigen Betrieben die Mittel bereits aufgebraucht sind, mit Unterstützung zu rechnen. Dabei müssten die Hürden deutlich hinunter geschraubt werden. „Natürlich gibt es Kriterien, die jeder Betrieb erfüllen sollte, diese sollten aber nicht so hoch sein, dass am Ende keiner mehr an Geld kommt“, ergänzte Hary.
Gerade für die Betriebe, die noch immer auf Mittel warten oder nun die ersten Mittel aufgebraucht haben, müsse eine tragfähige Lösung erarbeitet werden, die aber dann auch im Mai ausgezahlt werden müsse. Denn zu glauben, dass gerade am Anfang, kurz nach der Öffnung, Riesenumsätze gefahren würden, sei schlichtweg falsch, da war sich Hary sicher.
Melanie Perricone führte dies noch weiter aus, es komme auch auf die Zielgruppe  an und das gastronomische Konzept. Am Ende müsste jeder Unternehmer entscheiden, ob er denn schon öffnen wolle und dies auch wirtschaftlich vertreten könne. Insbesondere durch die Vielschichtigkeit der Gastronomie seien weitere Hilfen unausweichlich.

Chefredakteurin at Helmstedter Sonntag | + posts

Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit über 25 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor über 23 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.