Königslutter. Aus Erfahrung lernen – im AWO Psychiatriezentrum Königslutter sind derzeit vier Genesungsbegleiter, auch „Ex-Inler“ genannt, tätig. Mit Erfolg für alle Beteiligten.
„Die Arbeit mit den Patienten bereitet mir unheimlich viel Freude. Es ist für mich sehr sinnvoll, dass ich meine Erfahrungen – gerade in der Bewältigung von Krisen – an Patienten weitergeben kann und sehe, dass es ihnen Hoffnung gibt und ihnen dadurch besser geht“, sagt Karin Friedrich-Möhle. Sie ist eine von vier Genesungsbegleitern im AWO Psychiatriezentrum (APZ) Königslutter.
In Deutschland gibt es die Genesungsbegleiter seit gut zehn Jahren. Sie werden auch als „Ex-Inler“ bezeichnet. Die Abkürzung steht für das englische „Experienced Involvement“ und bedeutet so viel wie: die Beteiligung Erfahrener. Hervorgegangen sind die Ex-Inler aus einem Pilotprojekt von 2005, welches vom europäischen Programm Leonardo da Vinci gefördert wurde. Dabei haben sich Psychiatrie-Erfahrene, Verbände, Bildungsträger und Psychiatrische Dienste aus sechs europäischen Ländern zusammengesetzt und an einem Ausbildungskonzept für Psychiatrie-Erfahrene gearbeitet, um deren Erfahrungsschatz für andere transportierbar und nutzbar zu machen. Das Ergebnis war die Qualifizierung von Nutzern des psychiatrischen Systems zu Experten, um als Dozenten oder Mitarbeiter in psychiatrischen Diensten als Genesungsbegleiter zu arbeiten. Das APZ startete im Oktober 2017 ein eigenes Projekt zur Implementierung von Genesungsbegleitern. Nicole Semler war die erste zertifizierte Genesungsbegleiterin auf einer APZ-Station. Drei weitere Genesungsbegleiter fanden ihren Einsatz in den Tageskliniken.
Semler absolvierte ihre Ausbildung 2014 in Braunschweig und arbeitete zunächst in geringfügiger Anstellung in der ambulanten Betreuung beim „Institut für Persönliche Hilfen – Insel“ in Braunschweig. „Ich bin dankbar dafür, dass das Institut und das APZ mir diese Möglichkeit eingeräumt haben“, betont sie.
Ex-Inler: „Wir sind auch Betroffene. Das führt zu Verständnis und Vertrauen.“
Mittlerweile ist sie einer der wenigen Vollzeit-Genesungsbegleiter in Niedersachsen und unterstützt den Verein Ex-In Niedersachsen-Hannover. Während sie stationär arbeitet, sind die drei anderen Genesungsbegleiter in den Tageskliniken Wolfenbüttel, Peine und Helmstedt tätig. „Jeder von uns bringt sich ganz persönlich und individuell ein“, erklärt Karin Friedrich-Möhle. Neben der Teilnahme an Einzel- und Gruppengesprächen bietet sie in Wolfenbüttel eine Tanzgruppe an, die mittlerweile fest etabliert ist. Auch Freizeitgestaltung, Co-Moderation, Begleitung von Patienten und ähnliches gehören zu den Aufgabenbereichen.
Bei den Patienten kommt die Genesungsbegleitung gut an.
Genesungsbegleiter: Erfahrungsschatz an Wissen und Sichtweisen
„Die meisten reagieren überrascht, wenn sie hören, dass wir auch Betroffene sind. Sie fühlen sich verstanden und finden den Mut, Gedanken freier zu kommunizieren. Das schafft eine besondere Art des Vertrauens“, erklärt Semler. Auch die Mitarbeit im multiprofessionellen Team und mit den Kollegen erleben die Genesungsbegleiter als persönliche Bereicherung. „Die Zusammenarbeit gibt mir Sicherheit und ich habe viel von den Profis gelernt. Die Kollegen stehen mir zur Seite und lassen mich an ihrem Wissen, Erfahrungen und Sichtweisen teilhaben“, betont sie. Auch Karin Friedrich-Möhle nutzt die beiden Perspektiven, die sie kennengelernt hat für ihre Arbeit. „So kann ich für beide Seiten sprechen und für besseres Verständnis sorgen.“
Bisher gibt es noch wenige Genesungsbegleiter in Deutschland in bezahlter Arbeit. „Wir hoffen, dass mehr Arbeitgeber ihre multiprofessionellen Teams mit Genesungsbegleitern erweitern werden und vielleicht auch, wie das APZ, Menschen, die interessiert sind, die Ausbildung im dualen System ermöglichen.“
Katharina Loof, geboren 1980 in Nordrhein-Westfalen, begann ihre journalistische Tätigkeit im Kölner Raum, bevor sie 2010 nach Schöningen zog. Die dreifache Mutter mag Dorf-Klüngel und Pflastersteine auf vollen Marktplätzen. Am Lokaljournalismus schätzt die Esbeckerin die Nähe zum Menschen. Die Karnevalistin tritt gerne mal zu stark auf’s Gas: sowohl im Fahrzeug als auch bei der Freigabe der Autokorrektur.