Helmstedt. Noch bevor am Montag, 2. November 2020, der bundesweit einheitliche Lockdown zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie startet, hat der Landkreis Helmstedt die erste „Risikomarke“ überschritten, sodass bereits zum Wochenende Einschränkungen in Kraft treten.
Update: Kleine Korrektur, nachdem die Sperrstunde in Niedersachsen heute nach einer Klage gekippt wurde! (Die entsprechende Passage wurde entfernt.)
Der Inzidenzwert des Landkreises liegt am Donnerstag, 29. Oktober 2020, um 15.35 Uhr bei 39,4 und damit über der „magischen“ 35er Marke. Das bedeutet, dass sich ab sofort nur noch maximal 15 Personen im privaten Bereich (egal, ob im Freien oder in geschlossenen Räumen) sowie maximal 25 Personen im öffentlichen Raum sowie in der Gastronomie – immer unter Einhaltung der Abstandsregeln – treffen dürfen. Außerdem gilt die dringende Bitte des Landes Niedersachsen, auch im öffentlichen Raum unter freiem Himmel eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, wenn es eng wird oder wenn man sich über längere Zeit aufhält.
Neun Infektionen mehr als am Vortag
Das Gesundheitsamt Helmstedt meldet am heutigen Tag neun neue Infektionen: Aktuell sind 53 Personen im Landkreis Helmstedt mit dem Virus infiziert und als „krank“ eingestuft. Die Gesamtzahl der bisherigen Coronafälle steigt damit auf kreisweit 233, wovon es zwei Todesfälle zu betrauern gibt. Der Inzidenzwert (die Zahl der Covid-19-Fälle der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner) steigt damit im Landkreis Helmstedt auf 39,4.
Am Montag gibt es dann der Lockdown
Ab Montag gelten dann ohnehin scharfe Regeln, die bundesweit umgesetzt werden: Freizeit- und Kultureinrichtungen, Sportstätten, Schwimmbäder, Betriebe der Körperpflege (außer Friseure), Gaststätte, Restaurants, Kneipen, Bars, Cafés und Discos müssen geschlossen bleiben, lediglich Lebensmittel- und alle weiteren Einzelhandelsgeschäfte sowie die Friseure dürfen öffnen. Veranstaltungen sind den ganzen November über untersagt, ebenso das Sporttreiben auf Amateurebene.
Die Niedersächsische Landesregierung schreibt dazu in einer Pressemitteilung: „In der Corona-Krise stehen Deutschland und Niedersachsen vor einer Weichenstellung. Überall steigt die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus dramatisch an. Parallel steigt auch die Zahl der mit Coronapatienten belegten Intensivbetten in den Krankenhäusern. Befanden sich Anfang Oktober noch 29 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen der niedersächsischen Krankenhäuser, sind es heute bereits 113. Die Zahl der künstlich Beatmeten hat sich im Oktober von 16 auf 66 vervierfacht. Vor diesem Hintergrund unterstützt die niedersächsische Landesregierung die hBeschlüsse der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten.“
„Nicht den Tod vieler Menschen riskieren“
Ministerpräsident Stephan Weil appelliert an das Wir-Gefühl der Menschen: „Wir müssen die Ausbreitung des Coronavirus in Niedersachsen und in ganz Deutschland dringend verlangsamen. Wir dürfen nicht den Tod vieler Menschen und schwere Krankheitsverläufe und das Eintreten einer nationalen Gesundheitsnotlage riskieren. Wir haben noch die Chance, die Infektionen wieder in den Griff zu kriegen. Dafür müssen wir jetzt schnell und konsequent handeln und zugleich Prioritäten setzen. Neben dem Schutz von Leben und Gesundheit bei immer mehr Menschen ist es unser vordringlicher Wunsch, so lange wie irgend möglich Krippen, Kitas und Schulen im Präsenzbetrieb zu halten und den größten Teil der Wirtschaftsunternehmen weiterlaufen zu lassen. Wir haben jetzt noch die Chance, die Infektionsdynamik zu durchbrechen und in der Weihnachtszeit wieder halbwegs normale Verhältnisse zu haben.“
Die wichtigste Maßnahme, um diese Ziele zu erreichen sei das drastische Verringern aller nicht unbedingt notwendigen direkten Kontakte. „Ich bitte alle Bürger in Niedersachsen, die direkten Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und in anderer Weise miteinander in einem guten Austausch zu bleiben, sei es digital, durch Briefe oder Telefonate“, so Weil.
Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nur mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes jedoch in jedem Falle maximal mit zehn Personen gestattet werden.
Der Ministerpräsident fordert alle Niedersachsen auf, möglichst ab sofort auf private Reisen auch im Inland und leider auch auf Besuche von Freunden und Verwandten zu verzichten. Entfallen sollen zukünftig auch überregionale tagestouristische Ausflüge. Übernachtungsangebote werden nur noch für notwendige und nicht mehr für touristische Zwecke zur Verfügung gestellt.
Unterhaltung wird es im November nicht geben
Die unumgängliche Schließung aller kulturellen und sonstigen der Freizeitgestaltung zuzuordnenden Institutionen, betreffe leider auch in Niedersachsen alle Theater, Kinos, Opern- und Konzerthäuser und ähnliche Einrichtungen. Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt. Geschlossen oder unterbunden werden sollen auch alle Messen und Spezialmärkte, Freizeitparks, Spielhallen und ähnliche Einrichtungen.
All diese Branchen würden zugleich eine großzügige finanzielle Unterstützung durch den Bund erhalten. Darauf habe Ministerpräsident Weil besonderen Wert gelegt. Dies gelte insbesondere auch für Kunst und Kultur. „Mir ist sehr bewusst, dass wir Bereiche treffen, in denen sich viele Menschen sehr engagiert haben – mit Hygienekonzepten und zahlreichen anderen Anpassungen an die Lage. Wir müssen aber alle Möglichkeiten nutzen, Kontakte zu reduzieren so gut es nur irgend geht“, so Weil.
Unterbunden werden wird der Freizeit- und Amateursportbetrieb mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen; geschlossen werden Schwimm- und Spaßbäder, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen. Im Profisport wird es wieder ausschließlich „Geisterspiele“ geben können.
Geschlossen werden müssen auch Gastronomiebetriebe, Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen. Weiter möglich bleibt die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause. Der Groß- und Einzelhandel bleibt mit strengen Hygieneauflagen geöffnet.
75 Prozent „Ausgleichszahlung“
Für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständigen, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag beträgt 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, womit die Fixkosten des Unternehmens pauschaliert werden – dafür ist ein Finanzvolumen von bis zu zehn Milliarden Euro vorgesehen. Außerdem wird der Bund Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche verbessern (Überbrückungshilfe III).
Schulen und Kindergärten bleiben aber offen. Auch Industrie, Handwerk und Mittelstand sollen weiterarbeiten können – die Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen und soweit wie möglich mobiles Arbeiten zuhause zu genehmigen.
Der Landtag soll noch diese Woche zustimmen
All diese Maßnahmen sollen zum 2. November auch in Niedersachsen in Kraft treten. Die regelungstechnischen Vorbereitungen laufen bereits. Die Niedersächsische Landesregierung bittet die Präsidentin des Niedersächsischen Landtags um die Einberufung einer Sondersitzung rechtzeitig vor dem geplanten Inkrafttreten der geplanten Maßnahmen. Ministerpräsident Stephan Weil möchte die Abgeordneten um Unterstützung für die neuen Regelungen bitten. Die Maßnahmen sollen zunächst bis Ende November 2020 befristet werden.
Stephan Weil richtet sich abschließend direkt an die Bürger: „Liebe Niedersachsen, es ist mir bewusst, dass all diese Maßnahmen für Sie und Ihre Freunde und Familien eine weitere enorme Belastung darstellen. Aber ohne Ihren Verzicht, Ihre Geduld und Ihre Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, werden wir gegen das Virus nicht bestehen können. Ich danke Ihnen schon heute sehr herzlich für Ihr Verständnis, für Ihr Mitmachen und auch die Bereitschaft, bei anderen dafür zu werben.“
Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.