von Nico Jäkel

Teil I: Die technologische Entwicklung der vergangenen 100 Jahre und was die Menschheit daraus gemacht hat.

erschienen am 1. Januar 2023

„Fortschritt bezeichnet in der Philosophie, Politik, Technologie und der Wirtschaft grundlegende Verbesserungen durch bedeutende Veränderungen bestehender Zustände oder Abläufe in menschlichen Gesellschaften. Es gibt keine allgemein anerkannte Definition des sehr unterschiedlich konnotierten Begriffs; eine spezifischere, aktuell anmutende Definition lieferte etwa der Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Tönnies 1926, der Fortschritt als zunehmende Überwindung von Mangelzuständen ansah. Jeder Fortschritt setzt willentliche und gezielte Veränderungen voraus, die als Innovationen bezeichnet werden“, heißt es einleitend bei der Online-Ezyklopädie Wikipedia. Ein passender Auftakt für das Monatsthema im HELMSTEDTER SONNTAG für den Monat Januar, das sich dem technologischen Fortschritt der vergangenen 100 Jahre widmen soll. Nicht etwa aufgrund der Definition selbst, sondern bei Betrachtung der Quelle. Noch bis weit in das „Internet-Zeitalter“ hinein, galten Werke wie die Brockhaus Enzyklopädie als Maß aller Dinge zum Nachschlagen bei Fragen des Allgemeinwissens. In 30 Bänden wurden bei der bisher letzten vollumfänglich gedruckten Auflage auf rund 24.500 Seiten etwa 300.000 Stichwörter behandelt. Die deutschsprachige Wikipedia übertrifft diesen Inhalt etwa um den Faktor zehn – gepaart natürlich mit unzähligen weiteren komfort- und qualitätssteigernden Aspekten, wie Querverweisen, direkt verfügbaren Quellen, Mehrsprachigkeit und mehr. Auch inhaltlich steht die Qualität des von Nutzern erstellten Online-Werkes dem gedruckten Pendant in nichts nach. Im Gegenteil: Schon im Jahr 2010 widmete sich die Süddeutsche Zeitung einer wissenschaftlichen Untersuchung, die feststellte, dass in neun von zehn Fällen die Wikipedia-Beiträge qualitativ besser waren.

Der Computer als Grundstein

Damit nicht nur die Wikipedia in dem Umfang wie heute existieren kann, sondern auch, um die jüngeren Auflagen der Brockhaus Enzyklopädie drucken zu können, waren Computer praktisch unverzichtbar. Und gerade beim Computer gab es in den vergangenen 85 Jahren – seitdem gibt es „richtige“ Computer erst – die wohl rasanteste Entwicklung. Hatte der Z3 von Konrad Zuse in der Größe eines Bus-Wartehäuschens die Kapazität, zwei Additionen oder Multiplikationen pro Sekunde (FLOPS) zu erreichen, schaffte rund 40 Jahre später der erste „Supercomputer“, die „Cray 1A“ bei etwa gleicher Baugröße wie der Z3 die 40-Millionen-Fache Geschwindigkeit. Von da an gewann das Rennen um Rechengeschwindigkeit immer mehr an Fahrt. 2005 wurde der 57 Millionen Euro teure „schnellste Computer Deutschlands“ mit einer Geschwindigkeit von 12,7 TFLOPS (Billionen FLOPS) in höchsten Tönen gepriesen, ein Wert, der heute problemlos von jedem Mittelklasse-Smartphone erreicht wird. 

Die Kehrseite der Medaille?

So gut, wie es auf der einen Seite nun aber ist, das Wissen der Welt in seiner Hosentasche tragen zu können und zumindest theoretisch damit eine vielfach präzisere Berechnung der Mondlande-Berechnungen von 1969 in Sekunden zu erledigen, ist eine kritische Betrachtung dennoch wichtig. Dieser Aspekt nämlich gewinnt mit Blick auf die Zukunft noch einmal mehr Bedeutung, als er ohnehin schon hat. Was damit gemeint ist, wird klar, blickt man zurück auf die Brockhaus Enzyklopädie. Wurde in den 1930er-Jahren, beim Druck der 15. Auflage, noch mit Blei-lettern und händisch eingeklebten Bildern (und Fotos) gedruckt, wird viel vom damaligen Arbeitsaufwand heute vollständig von Maschinen übernommen. Ähnlich erging es unzähligen anderen Berufsgruppen, die durch den Fortschritt obsolet wurden. Die Frage, ob das nun gut oder schlecht zu bewerten ist, ist wohl am ehesten eine ethisch-moralische. Doch es stellen sich auch weitere Fragen: Wie können wir mit dem Fortschritt umgehen? Welcher hat uns Positives, welcher Negatives gebracht? 


Teil II: Was passiert, wenn der Mensch ersetzbar wird?

erschienen am 8. Januar 2023

Eine Fülle von Zuschriften erreichte die Postfächer des HELMSTEDTER SONNTAG zur Kernfrage des Monatsthemas im Januar, das sich dem „technologischen Fortschritt“ widmet. Vor allem im Kontext, ob damit eher Gutes oder Schlechtes einhergeht, schieden sich die Geister, kamen aber dennoch zum Tenor: Es komme darauf an, was damit gemacht werde.

Was wir daraus machen…

So schreibt zum Beispiel Leser Jörn Schönyan, dass „Verantwortung“ aus seiner Sicht ein Kernstichwort sei. Nicht nur bei der Nutzung fortschrittlicher Technologie, sondern auch, oder gerade im Bezug auf die Randerscheinungen und -umstände bezogen. Gemeint sind mit letzterem gar nicht einmal richtige „Katastrophen“, wie sie, die Geschichte der Kernkraft hat es ganz eindrücklich bewiesen, bei unsachgemäßem oder schlicht unbedarftem Gebrauch auftreten können. Im Gegenteil, es beginnt schon bei ganz banalen Dingen, wie der Möglichkeit, gigantische Datenmengen zu sichern und den daraus entstehenden Pflichten, mit eben jenen Daten entsprechend aller sie betreffenden Gesetze umzugehen. Das wird nämlich umso schwieriger, je globalisierter die Situation ist und betrachtet wird.

Ersatz für Arbeit

Einen ganz anderen Ansatz wiederum verfolgten gleich mehrere Zuschriften, die den Ersatz von menschlicher Leistung durch Maschinen ins Auge gefasst hatten. Wenn die menschliche, körperliche oder geistige Arbeit ersetzt werde, so der Gedanke, biete sich Raum für Freiheiten. Nur durch eben diese Freiheiten sei weiterer Fortschritt überhaupt möglich geworden. Ebenso biete sich die Chance, sich auf eben jene Dinge zu konzentrieren, die (noch) nicht von einer Maschine übernommen werden könnten. Das sei gewissermaßen eine Chance, sich zurück zu besinnen auf das Wesentliche und biete die Möglichkeit einem branchenspezifischen Fachkräftemangel zu begegnen, eben in Berufen.

Ein vielschichtiges Problem

Abseits der Leserzuschriften ist die Debatte natürlich nicht neu. Schon Ende des 18. Jahrhunderts gab es Aufstände und die so genannten „Maschinenstürmereien“, bei denen unter anderem automatisierte Webstühle, die viele Arbeitsplätze vernichtet hatten, zerstört wurden. Die einzelne Betrachtung der wegfallenden Arbeitsplätze ist allerdings sehr eindimensional und spiegelt die so genannte „Freisetzungstheorie“ wider, der sich unter anderem Karl Marx anschloss. Dem gegenüber steht die „Kompensationstheorie“, die aussagt, dass durch die Automatisierung Preise auch fallen könnten, in der Theorie also mehr Realeinkommen verfügbar wäre, das auch für andere Produkte genutzt werden könnte, somit neue Nachfragen und damit neue Arbeit entstehen würde. Differenzierter betrachtet dies Karl Popper, der mehrere Szenarien aufzeigt, wie eine Gesellschaft auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt reagieren kann. Die Betrachtung zeigt mehrere Positivbeispiele, die auch den aus den Leserzuschriften erkenntlichen Ansatz von „mehr Zeit für andere Dinge und/oder andere Berufe“ beinhalten. Aber sie zeigt auch Negativbeispiele wie die aus der Freisetzungstheorie.

Gesellschaftlicher Wandel 

In Betrachtung der Aufstellungen von Karl Popper wird besonders mit Blick auf die Entwicklung künstlicher Intelligenzen (KI) ein ganz neues Szenario offenbar. So geht eine Oxford-Studie aus dem Jahr 2014 davon aus, dass in Deutschland innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre jeder zweite Job durch Maschinen ersetzt wird. Eine Studie aus 2015 von einer deutsch-schwedischen Forschergruppe bestätigt diese Resultate. Aus diesen Erkenntnissen heraus fordern mittlerweile immer mehr IT-Branchengrößen wie zum Beispiel Tesla-Chef Elon Musk oder Microsoft Gründer Bill Gates eine finanzielle Beteiligung von Firmen, die entsprechende Technologien nutzen, um ein staatliches bedingungsloses und auskömmliches Grundeinkommen zu ermöglichen. Das wiederum könnte durch ganz neue Freiheiten zu einer langfristigen Steigerung der Lebensqualität für alle Menschen auf dem Planten führen, je nachdem, was „wir“ daraus machen. Es liegt also tatsächlich in „unserer“ Verantwortung. Aber ist das denn wirklich so, wie die Technologie-Milliadäre behaupten, dass KI und Computer heute so „schlau“ sind, dass sie wirklich auch komplexe Aufgaben übernehmen können?


Teil III: Wenn die Maschine schlauer ist als der Mensch…

erschienen am 15. Januar 2023

Künstliche Intelligenz (KI) hat in den vergangenen Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht und ist heute in vielen Bereichen unseres Lebens präsent. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Tatsache, dass KI auf einer Vielzahl von Technologien und Ansätzen basiert, die es ihr ermöglichen, „intelligente“ Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Einer der wichtigsten Ansätze in der KI sind die maschinellen Lernmethoden, die ermöglichen, dass die Computer lernen, -Muster in Daten zu erkennen und darauf zu reagieren, ohne explizit programmiert zu werden. Diese Technologie nutzt Algorithmen und statistische Modelle, um Daten automatisch zu analysieren und zu verstehen. So kann die KI in der Lage sein, Bilder, Sprache und andere Arten von Daten zu interpretieren und zu verstehen, und dadurch Entscheidungen zu treffen. Das klingt bis hierher einleuchtend, wenn auch etwas technisch. „Kein Wunder“, könnte man sagen, wüsste man, dass die ersten beiden Absätze die originale Antwort der KI „ChatGPT“ von OpenAI auf die Aufforderung „Schreibe einen Artikel darüber, warum KI so schlau ist“ sind. Grundsätzlich wäre es vermutlich sogar möglich gewesen, das gesamte Monatsthema Januar im HELMSTEDTER SONNTAG mit vergleichsweise minimalem Korrekturaufwand durch eben jene „Computer-Intelligenz“ verfassen zu lassen – den richtigen „Arbeitsauftrag“ vorausgesetzt. Konkret liegt das darin begründet, dass die Thematik einerseits nicht ganz neu ist und zum anderen stark polarisiert. Somit also eine breite Datenmenge -existiert, auf die eine KI während ihres Lernprozesses zurückgreifen kann. Auf die in den vergangenen Ausgaben aufgeworfenen Fragen, ob Technik ein Segen oder Fluch sei, hat „ChatGPT“ übrigens – bezogen auf Künstliche Intelligenz – auch eine Antwort, die der von Experten zum Thema ganz ähnlich klingt: „In der Medizin kann KI beispielsweise dazu beitragen, Diagnosen schneller und genauer zu stellen, indem sie große Mengen an medizinischen Bilddaten automatisch analysiert. In der Fertigung kann sie dazu beitragen, Prozesse zu optimieren und die Qualität der Produkte zu verbessern. Auf der negativen Seite kann KI jedoch auch zu Risiken führen. Eins der möglichen Risiken ist die Möglichkeit, dass KI-Systeme unvorhergesehene Fehler machen, was zu schweren Schäden führen kann, die Gefahr von fehlerhaften Entscheidungen, die auf ungenauen oder unvollständigen Daten beruhen, die Gefahr von Missbrauch von KI-Systemen durch böswillige Akteure und -Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung von Prozessen. Es ist wichtig, dass Regulierungsbehörden und Unternehmen die potenziellen Risiken von KI sorgfältig bewerten und Maßnahmen ergreifen, um diese Risiken zu minimieren und gleichzeitig die Vorteile von KI voll auszuschöpfen.“ Ob ein menschlicher Verfasser, der einen solchen Bericht zu sich selbst hätte verfassen sollen, auch so selbstkritisch vorgegangen wäre? Halt macht diese Entwicklung übrigens nicht nur bei Texten. Wie die beiden, komplett über die KI „Dall-E“ von OpenAI generierten „Fotos“ beweisen, macht der Computer seine Sache beim „Ausdenken und Malen“ von Bildern schon ziemlich gut.

Während wir beim aktuellen Stand der Technik aufgrund einiger kleinerer Schönheits- oder Logikfehler bei genauer Betrachtung diese computergenerierten Fotos doch noch entlarven können, sieht es umso schwieriger aus, je abstrakter es wird. Ein generiertes „Ölgemälde eines Stilllebens mit einem Obstkorb im Stil der Renaissance“ wird selbst von absoluten Experten nur sehr schwer von einem Foto eines „echten“ Gemäldes zu differenzieren sein. Und, das wissen wir sicher, die Technik bleibt nicht stehen. Die größte Gefahr, die so etwas mit sich bringen kann, hat „ChatGTP“ bei seiner „Selbstkritik“ bereits geliefert: Missbrauch durch böswillige Akteure. Während es nämlich heute durchaus (mit genug Rechenleis-tung, beziehungsweise Geld, um diese einzukaufen) möglich ist, Gesichter und Stimmen in ganzen Spielfilmen täuschend echt zu ersetzen, lässt sich dies eben auch für kriminelle Zwecke nutzen. So könnten auf digitalem Wege nahezu problemlos jedem Prominenten Dinge in den Mund gelegt werden, die er oder sie niemals gesagt hat – und dennoch gibt es einen „Videobeweis“ dazu. Die Frage, die sich an diesem Punkt stellt, ist: Wie können wir überhaupt noch erkennen, was „echt“ ist? Und an dieser Stelle kommt guter Journalismus ins Spiel. Dieser lebt nämlich davon, Quellen zu haben, die sich überprüfen lassen. 


Teil IV: Was tun, wenn die Technik einmal streikt

erschienen am 22. Januar 2023

Darüber, wie Maschinen Arbeit übernehmen können und welche Bedeutung das bekommen kann, wurde in den vergangenen Ausgaben des HELMSTEDTER SONNTAG im Rahmen des Monatsthemas bereits berichtet. Ebenso wurde aufgezeigt, was die nähere Zukunft mit den aktuellen Entwicklungen bereithalten könnte. Ein Gesichtspunkt zum Thema „technologischer Fortschritt“, der so noch nicht dargestellt wurde, verbirgt sich in der Fragestellung: „Was passiert eigentlich, wenn die Technik einmal streikt?“

Wenn was nicht funktioniert, spüren wir das sofort

Wie sehr Technik unser Leben (mit)bestimmt, merken wir nämlich genau dann, wenn etwas nicht so funktioniert wie es soll. Ist zum Beispiel kein Internet verfügbar oder läuft nur eine einzelne Social Media App nicht, bedeutet das für unser Privatleben je nach Umfang der Nutzung irgendeinen Status zwischen „gar nicht bemerkt“ und „maximal genervt“. Wirklich notwendig ist das eher im beruflichen (oder auch schulischen) Kontext. Das zumindest möchte man denken… Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass praktisch jeder mitbekommen hat, wie gigantisch ein kleines Sandkorn im großen vernetzten Getriebe sich auswirken kann. Ende Mai 2022, also noch kein ganzes Jahr her, gab es einen Fehler im EC-Sys-tem, in dessen Folge ein Bezahlen mit Karte in den -allermeisten Geschäften nicht möglich war. Das hatte parallel aber auch weiterführende Effekte: Geldautomaten waren in Windeseile leer. 

Hightech ist „verwundbar“

Das zeigt, wie verwundbar doch solche komplexen und an und für sich hochsicheren Systeme sind. Wenn ein Händler, wie der Braunschweiger Computer- und Systemanbieter Gravis, nun damit wirbt, künftig keine Bargeldgeschäfte mehr zu akzeptieren, birgt das natürlich auch Gefahren. Im Falle der EC-Problematik nämlich, hätte der Laden seine Pforten bis zur Behebung des Problems geschlossen halten können. Doch es fängt in aller Regel schon bei viel weniger „Hightech“ an. Was ist, wenn die Waschmaschine nicht läuft? Natürlich können einzelne Kleidungsstücke per Hand gewaschen werden, aber bei einer vierköpfigen Familie wird das, soll es richtig sauber werden, zum recht arbeitsaufwändigen Unterfangen. Wenn die Kaffeemaschine nicht funktioniert, ist das zwar für einige Menschen dramatisch, im großen und ganzen aber kein Problem. Selbst mit einer Pad-Maschine finden sich andere Möglichkeiten, das „schwarze Gold“ irgendwie in einen flüssig-genießbaren Zustand zu bringen.

Pleiten, Pech und Pannen

Gerade letztere Beispiele sollen eine Überleitung für den letzten Teil des Monatsthemas Januar bilden. Dort geht es um „Pleiten, Pech und Pannen“ im Kontext von technischem Fortschritt. Wussten Sie zum Beispiel, dass der berühmte „Computer-Bug“, das Synonym für einen technischen Fehler beim Computer, tatsächlich mit einem „Bug“, also mit einem Käfer zu tun hatte? 


Teil V: Wie der „Käfer“ in den Computer kam

erschienen am 29. Januar 2023

„Never change a running system“, also „Ändere nie ein laufendes System“, ist ein Ausspruch, der zwar jüngeren Datums ist, aber nicht ohne Grund existiert. Jeder „Umbau“ nämlich birgt neue, oft unbekannte Fehlerquellen. Das gilt sowohl für mechanische, vor allem aber für digitale Gerätschaften. Der Hintergrund bei letzteren ist, dass zusammen mit der -Leistungsfähigkeit von Computersystemen auch die Programm-Codes in exorbitantem Umfang gewachsen sind. Früher wurde zudem häufig keine (ausreichende) Kommentierung der einzelnen Befehlssätze vorgenommen, sodass jemand, der die Arbeit eines Vorgängers übernehmen, beziehungsweise fortsetzen wollte, sich zunächst sehr detailliert jeden einzelnen Befehl anschauen musste. Während dies zwar weitestgehend Vergangenheit ist, Programme heute nicht mehr aus nur „einem“ Teil bestehen, ist genau letzteres das Kernproblem. Wird ein Teil verändert, beeinflusst es mitunter alle anderen Teile – mit nicht selten unvorhersehbaren Folgen und vor allem dann, wenn es um etwas geht, das als eine Art Baustein in unzähligen verschiedenen Programmen verwendet wird.

Das zeigt im Kern auch die Schwachstelle(n) moderner Computersysteme – und zwar nicht nur solcher, die im heimischen PC oder im Smartphone stecken, sondern mittlerweile fast überall verbaut sind: Ein kleiner „Fehler“, der sich zum Beispiel durch ein zuvor nicht vollständig geprüftes Update einschleicht, kann millionenfach ganze Systeme lahmlegen. Einen Umstand, den sich nicht selten auch Hacker und Hersteller von Computerviren zunutze machen. Wenn dann in einem System – und das betrifft nicht nur Computer – ein Fehler auftritt, wird häufig von einem „Bug“ gesprochen. Das Wort, übersetzt „Käfer“, spezieller noch „Wanze“, ist dabei im Ursprung tatsächlich wörtlich zu nehmen. Geläufig war das schon zur Zeit des berühmten Erfinders Thomas Edison, der einen Fehler in einer Telefonanlage auf einen Käfer im Gerät zurückführen konnte. Am 9. September 1945 sorgte wiederum eine Motte in einem Relais des Computers „Mark II Aiken Relay Calculator“ für eine Fehlfunktion. Die Wartungstechniker vermerkten dies im Wartungslogbuch und klebten die tote Motte direkt mit in das Buch. Gerade dadurch, dass letztere Geschichte weite Verbreitung fand, ist das Wort aus der Computer-Terminologie nicht mehr wegzudenken.

Und solche Bugs haben, mindestens seit Computer großflächig in private Haushalte eingezogen sind, immer auch mal für „Pleiten, Pech und Pannen“ gesorgt. Und nein, damit ist nicht der berüchtigte „Blue Screen“ von Microsoft Windows gemeint, beziehungsweise Abstürze im Allgemeinen. Vielmehr solche mit globaler Auswirkung – wie das „Jahr 2000“-Problem. In Zeiten, als Speicher knapp und teuer war, hat man nämlich mit selbigem gespart. Zum Beispiel beim Datum. Statt das Jahr vierstellig zu besetzen, wurden nur die beiden letzten Ziffern genutzt, sodass bei einem Umspringen von 99 auf 00 das Resultat 1900, statt 2000 gewesen wäre. 

Die tatsächlichen Auswirkungen davon blieben weitestgehend unspannend, wenngleich erheiternd: Der offizielle Zeitmesser der USA gab auf seiner Webseite das Jahr 19100 an, ein Autofahrer erhielt eine Kfz-Steuerforderung für die vergangenen 100 Jahre über 760.000 Dollar, in Italien versandte die Telecom Italia Rechnungen für die ersten zwei Monate des Jahres 1900 und ähnliche „Kleinigkeiten“ passierten. Der große Computer-GAU, der zuvor vorhergesagt wurde, blieb aus. Das wiederum lag an der unermüdlichen Arbeit vieler Computerfachleute. Der Gesamtaufwand zur Vorbeugung des „Jahr 2000-Problems“ wird auf etwa 600 Milliarden Dollar geschätzt.

Weniger brisant, dafür wohl umso bekannter ist der so genannte „Cupertino-Effekt“. Gemeint ist damit die unbeabsichtigte Übernahme eines falschen Vorschlags der Rechtschreibprüfung, beziehungsweise der automatischen Textvervollständigung, zum Beispiel auf dem Smartphone. Diese verschriftlichten Versprecher sorgen nicht nur im Internet häufig für Lacher, sondern dürften wohl jedem von uns auch privat schon einmal begegnet sein. Nichtsdestotrotz können dadurch auch Schäden entstehen. Einzig und allein verlassen auf die Rechtschreibprüfung sollte man sich daher besser nicht. Damit bleibt das Fazit des Monatsthemas im Januar zu ziehen, dass da lauten könnte: Wenn die Technik so funktioniert und so eingesetzt wird, wie vorgesehen, kann der technische Fortschritt ein Segen sein. Die weitere Voraussetzung dafür ist aber, dass auch der gesellschaftliche Rahmen dafür passt.

 

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Nico Jäkel, geboren 1981 in Helmstedt, ist ausgebildeter Redakteur, selbstständiger Fotograf und ein leidenschaftlicher Hobbykoch mit einer gigantischen Sammlung an Kochbüchern. Seine Markenzeichen sind verschachtelte Sätze. Zusätzlich zu seinem Faible für Produkttestungen, engagiert sich der Lokalpatriot in seiner Heimatstadt Schöningen.