Helmstedt/Berlin. 60 Milliarden Euro muss die deutschen Bundesregierung einsparen, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein denkwürdiges Urteil gesprochen hat. Es dürfen nämlich keine Gelder für die Bekämpfung der Klimakrise eingesetzt werden, die zur Milderung der Auswirkungen der Corona-Pandemie gedacht waren.  Eine solche Milderungs-Maßnahme war unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Essen in der Gastronomie auf sieben Prozent.

Diese droht nun zum Jahresende auszulaufen – und das, obwohl dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zugesagt worden war, die gesenkte Mehrwertsteuer beizubehalten. Denn die DEHOGA hatte mobil gemacht und sich allerorts eingesetzt, Speisen weiterhin mit nur sieben Prozent zu besteuern statt mit 19. Die vielen Aktionen schienen zunächst von Erfolg gekrönt. Am vergangenen Donnerstag allerdings wurde bekannt, dass die Regelung nun doch zum Jahresende auslaufen und ab 2024 wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent anfallen soll.

DEHOGA-Vorsitzender reagiert bestürzt und wütend

Florian Hary, Bezirksvorsitzender des DEHOGA Harz, Braunschweiger Land, sieht die Gastronomie als Bauernopfer. „Was müssen wir uns eigentlich noch gefallen lassen?“ Diese Frage habe er ganz oft zu hören bekommen, teilt Florian Hary mit. „Bestürzt, schockiert, wütend, das sind noch die freundlichen Ausdrücke, die in diesen Momenten über die Lippen kommen, wenn wir die Situation unserer Branche beschreiben müssen“, so Hary. Am Mittwoch noch habe er selbst auf einer Veranstaltung darüber gesprochen, dass man einer Verlängerung der Sieben Prozent-Regelung von einem Jahr zugestimmt habe und wir nun etwas Zeit hätten uns auf den Kampf im nächsten Jahr vorzubereiten.

Da waren wir alle noch euphorisch.

Am Freitag dann sahes schon anders aus. Bereits am Donnerstag hätten sich die Meldungen überschlagen, dass aufgrund des Karlsruher Urteils die Haushaltsberatungen auch andere Ergebnisse vorbringen könnten. „Es folgte die traurige Gewissheit: Die Bundesregierung hat sich darauf geeinigt, die Mehrwertsteuer wieder anzuheben. Mit einem Federstrich war die Freude passé“, erläutert Hary.

„Unsere Branche fühlt sich nicht ernst genommen, wir sind kein Spielball der Bundespolitik und auch keine Bauernopfer. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir seit Corona gern immer vor’s Loch geschoben werden, wenn wo anders Not entsteht. So auch jetzt. Wieder einmal ein Bundeskanzler, der sich an nichts erinnert und eine politische Führung in Berlin, die das, was sie Dienstag verspricht am Donnerstag wieder einreißt.  Da helfen auch keine Millionen für die Sanierung von Innenstädten oder Konzepte für aussterbende Städte, dieses Geld kann man sich dann eben auch sparen“, macht der Bezirksvorsitzende deutlich.

Mit zahlreichen Kollegen habe er  telefoniert, man fühle sich erneut allein gelassen und veralbert – „man muss es dann auch mal so deutlich sagen“.

Hary prophezeit: „Sollte im Bundestagam 23. November für die Erhöhung auf 19 Prozent entschieden werden und der Bundesrat diesem ebenso zustimmen, sehe ich schwarz für zahlreiche Betriebe und die gastronomische Vielfalt in unserer Region und im ganzen Land. Die Politik muss endlich aufwachen und verstehen welche Tragweite solch eine Entscheidung auslöst. Wir fordern, dass die Politik sich die Zeit nimmt ihre Entscheidung ernsthaft zu überdenken und sich für die Beibehaltung der sieben Prozent ausspricht. Das Mindeste ist, dass die Zusagen, die gemacht worden sind, auch eingehalten werden.“

Schöninger Gastronom macht Ärger Luft

Der Schöninger Gastronom Patrizio Principale hat ebenfalls eine Pressemitteilung verfasst, um seinem Ärger Luft zu machen.“Ich bin Gastronom im Raum Helmstedt seit über 40 Jahren“, stellt er voran und führt aus: „Der Beschluss der Bundesregierung wird dazu führen, dass wir als  Gastronomen die Preise unserer Speisen entsprechend anpassen müssen, zumal auch der Mindestlohn erhöht wird.“ Das werde seiner Meinung nach nicht jeden Gast treffen, sondern nur die, die auch mal in einem Restaurant ein paar gemütliche Stunden verbringen möchten, dann aber nicht mehr die nötigen finanziellen Mitteln dazu haben.

„Es entsteht eine noch größere Diskrepanz zwischen Arm und Reich“, findet Principale.

Tausende Existenzen seien außerdem gefährdet, weil Umsatzeinbußen vorprogrammiert seien. Die Folge daraus seien Jobverluste, Betriebsaufgaben und Insolvenzen.

„Der Satz ‚Es dürfen nicht noch mehr öffentliche Wohnzimmer der Gesellschaft verschwinden‘ der DEHOGA trifft voll zu, macht der Gastronom abschließend deutlich.

Betroffene wollen bis zum Ende kämpfen – UPDATE: Termin verschoben

Fest steht, dass die betroffenen Gastronomen über die DEHOGA oder auch direkt selbst bis zum Ende kämpfen wollen. Der deutsche Bundestag ist am Dienstag, 21. November 2023, erneut in die Haushaltsberatungen eingestiegen, wird aber laut Tagesschau den ursprünglich geplanten Termin zur Haushaltsverabschiedung am Donnerstag, 23. November 2023, nicht einhalten. Ein neues Datum für den Beschluss wurde nicht genannt.

 

Chefredakteurin at Helmstedter Sonntag | + posts

Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.