Helmstedt. „Mit Abschluss der Marathonsitzung von über 20 Stunden hat sich Niedersachsens Umweltministerium Olaf Lies erneut für das Helmstedter Revier eingesetzt. Dafür bin ich sehr dankbar“, erklärt der Helmstedter Landtagsabgeordnete Jörn Domeier (SPD) im Nachgang zur Ergebnissitzung der Kohlekommission.
Demnach sollen die betroffenen Kohleregionen, zu denen auch das Helmstedter Revier gehört, bis 2040 jährlich eine Gesamtsumme von 1,3 Milliarden Euro erhalten, zusätzlich sollen den Ländern in denen die Reviere beheimatet sind, 0,7 Milliarden pro Jahr bereitgestellt werden, die nicht an Projekte gebunden sind. Hinzu kommen zur Verbesserung des Verkehrs ein Sonderfinanzierungsprogramm und ein Sofortprogramm bis 2021 im Umfang von 1,5 Milliarden Euro, die bereits im Bundeshaushalt bis 2021 eingeplant sind.
Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann (CDU) begrüßt die nun im Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ getroffene Empfehlung, für den dringend anstehenden Strukturwandel in den deutschen Braunkohlerevieren auch Fördermittel in nennenswertem Umfang bereit zu stellen: „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung die Bereitstellung von Bundesmitteln für die vier betroffenen Reviere in Kürze beschließen wird. Die Reviere sind auf diese Hilfen zur Bewältigung des Strukturwandels angewiesen, sie können diese Herausforderungen nicht allein stemmen.“
Olaf Lies: „Eine große Chance für das Revier!“
Mit den Beschlüssen der Kohlekommission sieht auch der Umweltminister die Voraussetzungen für die weitere strukturelle Entwicklung des Helmstedter Reviers gewährleistet. „Im ersten Revier, das bereits aus der Kohle ausgestiegen ist, sollen Projekte wie ein Technologiezentrum zur Phosphorrückgewinnung, die Entwicklung des Batterierecyclings und eine Reihe weiterer Projekte entwickelt und in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Ich bin sehr froh, dass wir dies in den Beratungen erreicht haben und im Abschlussbericht sichergestellt haben. Das ist eine große Chance für das Revier und eine weitere Perspektive gerade für die jungen Menschen in der Region“, so der Minister Olaf Lies (SPD) in einer Mitteilung.
Das Wirtschaftsministerium unterstützt den Landkreis Helmstedt bereits mit dem Projekt „Nachhaltige Gestaltung des Strukturwandels im Braunkohlerevier Helmstedt.“ Ziel ist es, in einem strukturierten Entwicklungsprozess konkrete Projekte zur Steigerung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaftsstruktur auszuarbeiten und umzusetzen, um neue Industriearbeitsplätze zu schaffen. In diesem Rahmen soll auch die landkreisübergreifende Zusammenarbeit weiter intensiviert und ausgebaut werden.
Folgende vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagene Projekte sind in absehbarer Zeit umsetzbar:
Gewerbegebiet Barmke (A2): Stadt und Landkreis Helmstedt planen, im Helmstedter Ortsteil Barmke ein Gewerbegebiet mit unmittelbarem Anschluss an die BAB 2, AS 60, Rennau-Barmke, zu entwickeln. Hierzu ist im Sommer 2017 ein städtebaulicher Vertrag geschlossen worden, der in Kreistag und Rat eine breite Zustimmung erfahren hat. Mit dem Vorhaben soll das Arbeitsplatzangebot im Revier ausgeweitet und damit der Strukturwandel vorangetrieben werden. Das Gewerbegebiet soll eine Gesamtgröße von etwa 47 Hektar haben. Das Investitionsvolumen beträgt rund 17 Millionen Euro. Mit der Maßnahme könnte bald begonnen werden, Abschluss soll dann Ende 2021 sein.
Gewerbegebiet Autobahnkreuz Wolfsburg/Königslutter (A2/A39): Der Landkreis Helmstedt liegt zwischen den beiden Oberzentren Braunschweig und Wolfsburg, durch den mit der A2 die europäische West-Ost Magistrale verläuft. Die Kapazitäten der beiden Oberzentren hinsichtlich freier Gewerbeflächen sind weitgehend erschöpft. Insbesondere die Stadt Wolfsburg kann keine nennenswerten Kapazitäten mehr anbieten beziehungsweise entwickeln. Erste Planungsabstimmungen zwischen den beiden Städten und dem Landkreis sind angelaufen, eine Umsetzung steht nach Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen an.
Anbindung Landkreis Helmstedt an Bahnverbindung an das Oberzentrum Wolfsburg: Die bislang eingleisige Strecke zwischen Weddel (Braunschweig) und Fallersleben (Wolfsburg) soll bis 2023 zweigleisig ausgebaut werden. Hiermit wird eine bessere Erreichbarkeit Wolfsburg für Pendler angestrebt. Ein solches Projekt könnte durch bessere Erreichbarkeit der Arbeitsplätze in Wolfsburg nachhaltig den Strukturwandel abfedern. Weitere verkehrliche Verbesserungen werden in der Eisenbahninfrastruktur zur Anbindung des Landkreises Helmstedt gesehen, wie beispielsweise die Umsetzung von Beschleunigungsmöglichkeiten Richtung Braunschweig oder die Neueinrichtung sowie die Modernisierung von Bahnstationen im Landkreis Helmstedt.
Entwicklung eines niedersächsischen Technologiezentrums zur Phosphorrückgewinnung aus der Monoklärschlammverbrennung am Standort Helmstedt: Vor dem Hintergrund der in Niedersachsen entstehenden Mono-Verbrennungskapazitäten besteht auch Bedarf an Anlagen zur Phosphorrückgewinnung. Die Stoffströme der Aschen sollten möglichst ohne weitere Transporte weiter verarbeitet und zur Phosphorrückgewinnung genutzt werden. Derzeit stehen bundesweit noch keine großtechnischen Anlagen zur Phosphorrückgewinnung aus Verbrennungsaschen zur Verfügung. Innovative Ansätze sind vorhanden, befinden sich jedoch noch in der Entwicklungs- beziehungsweise Erprobungsphase.
In einem ersten Schritt sollen dafür relevante Rahmenbedingungen ermittelt werden (zum Beispiel Betrachtung der Standortbedingungen, Zusammentragen der Informationen zu verfügbaren Technologien zur Phosphorrückgewinnung, vorzugsweise aus Niedersachsen). Eine Studie soll hierzu in Auftrag gegeben werden.
Digitalisierung: Die ehemalige Braunkohleregion Helmstedt eignet sich im Kontext der Bewältigung des Strukturwandels und als Bezugspunkt zwischen den Industrie- und Forschungsstandorten Braunschweig und Wolfsburg besonders als Standort für einen DigitalHub an. Das Digitalisierungsministerium strebt die Einrichtung eines oder mehrerer DigitalHubs zu den folgenden thematischen Schwerpunkten an: Ernährungs- und Landwirtschaft, Energie, Medien und Life-Sciences.
Die SPD-Fraktion in der Stadt Helmstedt indes fordert Nachbesserung, um sich dem von Althusmann geforderten „breiten Konsens“ anschließen zu können und teilt die Euphorie des SPD-Landtagsabgeordneten Domeier nur bedingt. Die Helmstedter Sozialdemokraten stören sich an gleich mehreren Punkten.
So müsse die bisher diskutierte Fördersumme für das Helmstedter Revier deutlich erhöht werden. Die Gesamtfördersumme für alle vier Braunkohlenreviere für die nächsten 20 Jahre sei im Vorschlag der Kohlekommission massiv auf 40 Milliarden gesteigert worden. Folglich müsse das Ergebnis für Helmstedt, der Forderung nach zehn Prozent der Summe entsprechend, auf 200 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden. In der Kritik steht dabei vor allem, dass die Städte Braunschweig, Wolfsburg und Wolfenbüttel mit dem Revier zugeordnet worden, wodurch das Revier im Vergleich gut darstehe.
Auch die Zahl der Projektvorschläge für den Landkreis sei zu gering. Weder die Entwicklung des Lappwaldsees, noch der Tourist-Bahnhof Helmstedt seien berücksichtigt worden. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Uwe Strümpel bedauerte zudem, dass die Forschungs- und Begegnungsstätte zum Thema Grenzen/Deutsche Einheit mit potenzieller Anbindung an die ehemalige Universität nicht unter den Projekten zu finden ist.
Nico Jäkel, geboren 1981 in Helmstedt, ist ausgebildeter Redakteur, selbstständiger Fotograf und ein leidenschaftlicher Hobbykoch mit einer gigantischen Sammlung an Kochbüchern. Seine Markenzeichen sind verschachtelte Sätze. Zusätzlich zu seinem Faible für Produkttestungen, engagiert sich der Lokalpatriot in seiner Heimatstadt Schöningen.