Helmstedt. Da sind sich Landrat Gerhard Radeck, alle Hauptverwaltungsbeamten des Landkreises Helmstedt und die Chefin der Helmstedter Polizei, Imke Krysta, einig: Dass ab Sonnabend, 4. April 2020, die Baumärkte und Gartenzentren sowie auch Blumenläden wieder ihre Türen öffnen können, bringt große gesundheitliche Gefahren mit sich.

Die bisherige Beschränkung nur auf gewerbliche Kundschaft in Baumärkten wird am 4. April wieder aufgehoben. Baumärkte, Gartencenter und Gärtnereien können dann auch wieder für Privatpersonen geöffnet werden.

Ministerpräsident Stephan Weil begründet den Beschluss damit, dass es eine große Abwanderungsquote von Baumarktkunden in an Niedersachsen angrenzende Bundesländer gegeben habe, in denen Privatpersonen der Einkauf im Baumarkt nach wie vor gestattet war. Zudem sei aufgefallen, dass Supermärkte ihr Kontingent um Gartenartikel, Blumen und anderes mehr erweitert hätten, was zu einem noch größeren Sturm auf die Supermärkte geführt habe. „Deshalb sehen wir eine Wiedereröffnung von Baumärkten und Gartencentern zum Wochenende vor“, sagte Niedersachsens Landesoberhaupt am Donnerstag, 2. April 2020, in einem Podcast auf Soundcloud.

Das Land Niedersachsen weist zwar darauf hin, dass überall das dringende Gebot gelte, Abstand zu halten und bittet eindringlich, die Öffnungszeiten in der Breite zu nutzen, um den üblichen Ansturm am Sonnabendvormittag zu vermeiden, Helmstedts Landrat Gerhard Radeck sieht dies aber dennoch „äußerst kritisch“.

„Polizei, Ordnungsamt und Hauptverwaltungsbeamte im Landkreis Helmstedt sind sich alle einig, dass die Wiedereröffnung von Baumärkten und Gartenzentren ausgerechnet an einem Sonnabend besorgniserregend ist“, sagt Radeck dem HELMSTEDTER SONNTAG am Freitag am Telefon. Dabei sei nicht die Freigabe für Privatpersonen an sich das Problem, sondern der Wochentag. „Morgen ist schönes Wetter, die Menschen wollen ihren Garten bepflanzen und sie werden vermutlich diese Einrichtungen stürmen“, prophezeit der Landrat.

Ein Appell an die Vernunft aller Kreishelmstedter

Deshalb richtet Radeck gemeinsam mit der Leiterin des Helmstedter Polizeikommissariats, Imke Krysta, ein großes Appell an die Bevölkerung: „Bitte fahren Sie nur in den Bau- oder Gartenmarkt, wenn es wirklich dringend notwendig ist.“ Viel lieber wäre den beiden, wenn die Kreishelmstedter den Kauf von Pflanzen und anderen Gartenartikeln, Baumaterialien und mehr auf die nächste Woche verschieben. Nur so könne ein Massenansturm vermieden werden.

Wer sich dennoch auf den Weg macht, den erinnert Radeck an die aktuellen Auflagen: „Halten Sie Abstand, auch und gerade, wenn sich vor dem Markt Schlangen bilden, beachten Sie die Hygienevorschriften vor und in den Geschäften.“ Radeck gibt abschließend zu bedenken: „Das Virus ist so hoch ansteckend, dass wir dringendst alle ersuchen, einsichtig zu sein und sich an die vorgegebenen Maßnahmen zu halten.“

Imke Krysta indes gibt bekannt, dass die Polizei auch weiterhin vielerorts die Einhaltung der Regelungen kontrollieren wird, auch und gerade am Wochenende. Beamte planen beispielsweise, im Elm oder in Parks zu schauen, ob das Versammlungsverbot von der Bevölkerung auch eingehalten wird.

Kleinere Einzelhändler wittern Lobbyismus und fühlen sich stark benachteiligt

Auf absolutes Unverständnis stößt die Entscheidung des Landes, Bau- und Gartenmärkte sowie Blumenläden wieder zu öffnen, indes bei einigen Einzelhändlern der Stadt Helmstedt. Olaf Senk, Inhaber des gleichnamigen Deko- und Gardinen-Fachgeschäfts in der Helmstedter Innenstadt, fühlt sich beispielsweise unfair behandelt und kann nicht nachvollziehen, warum einige Händler anders „bewertet“ werden als andere.“Ich kann verstehen, dass die Leute bei schönem Wetter ihr Heim verschönern wollen, aber dazu trage ich ja eigentlich auch bei“, ärgert sich Senk und wittert direkt Lobbyismus.

Dass es gerade in kleinen Geschäften viel einfacher gelinge, sich an die Auflagen zu halten, die zum Schutz von Mitarbeitern sowie Kunden gleichermaßen betragen sollen, bewiesen die Apotheken, Bäckereien und Fleischereien, macht Senk deutlich. Dort haben sich die Menschen inzwischen sogar schon daran gewöhnt, dass nur eine Person im Geschäft sein darf und warten entsprechend vor der Tür.

Auch der NDR berichtete gerade online über Beschwerden von kleineren Einzelhändlern, dass sie die Regelungen äußerst ungerecht empfinden. Einem Spielwarenhändler in Oldenburg etwa wurde vom Gewerbeaufsichtsamtverboten, Dinge wie zum Beispiel Spielzeug, Schreibwaren, Briefumschläge oder Postpakete zu verkaufen. Allerdings sind diese Dinge in Drogerien und Supermärkten – immer mehr – zu finden. Diese dürfen weiterhin geöffnet sein, während der Spielwarenladen vom Ordnungsamt kontrolliert werde…

Chefredakteurin at Helmstedter Sonntag | + posts

Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit über 25 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor über 23 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.