Im Monatsthema September geht es um Generationen zwischen Tradition und Revolution.


Teil I: Generationen zwischen Tradition und Revolution – Es dreht sich um Alterskonflikte, was ihre Auslöser sind und wie man sie vermeiden kann

Junge Leute sind faul. Alte Leute sind starrsinnig. Das beides sind Vorurteile, die man in der Gesellschaft oft hört. Im Monatsthema September soll es genau um diese Voreingenommenheiten und ihre Auswirkungen gehen. „Generationenkonflikte“ ist das Stichwort. Diese findet man im Alltag überall, ob zuhause, am Arbeitsplatz oder in der Politik. Fragen wie „Sind ‚Baby-Boomer‘ wirklich so problematisch?“ oder „Interessieren sich die jungen Menschen wirklich nicht für Politik?“ sollen unter die Lupe genommen und aufgeklärt werden. Doch zunächst: Wie entstehen Generationenkonflikte eigentlich? Wo kommen sie her?

Verschiedene Weltansichten als Grund

Häufig sind solche Streitigkeiten  von Vorurteilen gegenüber der anderen Generation geprägt. Ein solcher Konflikt entsteht durch unterschiedliche Wertehaltungen oder aus Interessengegensätzen. Die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung nennt dafür ein Beispiel. Sie schreibt: „Wird die ins Erwerbsleben nachrückende jüngere Generation in Zukunft überbelastet, weil die Älteren einen immer größeren Anteil vom gesamtwirtschaftlichen Einkommen verlangen und kommt es dadurch zu einem Generationenkonflikt?“ Gemeint ist der Generationenvertrag, der auf der Grundlage basiert, dass die arbeitende Gesellschaft mit ihren Beiträgen die Rente der nicht mehr arbeitenden Personen finanziert. Da die Bevölkerung aber immer älter wird, und junge Leute durch ein Studium gegebenenfalls später ins Berufsleben einsteigen, fürchten die Jüngeren im Rentenalter leer auszugehen. 

Aktuelle „Brennpunkte“

Konflikte entstehen häufig ganz plötzlich und entwickeln sich mit der Zeit immer weiter. Eine neuere Kontroverse, die seit 2018 sehr präsent ist, hängt mit der „Fridays for Future“-Bewegung zusammen, einer globalen sozialen Organisation ausgehend von Schülern und Studierenden. Sie setzen sich für möglichst schnelle und effiziente Klimaschutzmaßnahmen ein. Die jungen Leute gehören oftmals der Generation Z (Menschen, die ab 1996 geboren wurden) an und werden von der älteren Generation als „Schulschwänzer“ betitelt. Dabei stehen die anhaltenden Schülerdemonstrationen für den Klimaschutz im Kontrast zu der Aussage, die Jugend von heute sei unpolitisch.

Konflikte in schwierigen Zeiten

Anfang 2021 in der Corona-Pandemie bahnte sich dann der nächste Konflikt an. Den „Alten“ wurde der Vortritt in der Impfreihenfolge gelassen. Für viele verständlich, machen sie doch den Großteil der Risikogruppe aus. Allerdings gingen mit der Bereitstellung des Impfstoffes gleichzeitig mehr Freiheiten für Geimpfte einher. Bundesfamilienministern Christine Lambrecht warnte im Mai dieses Jahres schon vor einem Generationenkonflikt bei der Impfstoffverteilung. Zum damaligen Zeitpunkt sagte sie dem ZDF: „Es ist mir ganz wichtig, dass in der Frage der Impfungen die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Gerade jetzt – in der Endphase der Pandemie – sollten wir alles daran setzen, uns nicht auseinanderdividieren zu lassen und weiter als Gesellschaft zusammenzuhalten.“ Doch nicht nur hinsichtlich der Impfreihenfolge wurden die Stimmen laut. Während die Schulen noch geschlossen hatten, öffneten die ersten Fußballstadien und ließen mehrere Tausende Besucher hinein. Ein Faustschlag für die Jüngsten, die sich vor allem in Sachen Bildung nach mehr Normalität sehnten.


 

Teil II: Was bleibt den nachfolgenden Generationen? – Fluch und Segen der Babyboomer: Junge Leute fordern mehr Beteiligung, vor allem im politischen Bereich

„Ok, Boomer!“ Ein Spruch, der vor allem im Internet im Jahr 2019 die Runde machte. Weltweit erheben junge Menschen auf Social Media Plattformen ihre Stimmen und prangern so Versäumnisse ihrer Vorfahren an. Vor allem auf die ältere Generation sind sie wütend und verspotten diese mit dem Slogan „Ok, Boomer“. Kritiker betiteln diese Phrase sogar als Altersdiskriminierung. In dieser Woche soll es im Monatsthema „Generationen zwischen Tradition und Revolution“ darum gehen, woher die Ablehnung gegenüber der Altersklasse kommt, die in Deutschland viele Führungspositionen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik besetzt.

Erbe ohne Zukunft?

Die Babyboomer wurden in eine Zeit des allgemeinen Wohlstands geboren. Das spiegelt sich in ihren Werten wider. Trotzdem arbeiteten sie für ihr Vermögen hart. Diese Generation konnte einen größeren Geldspeicher als die Generationen vor und nach ihnen anhäufen. Sie haben viel gespart und wenig Schulden. Der Wohlstand Deutschlands ist ihnen, ihrer schieren Masse und ihrer Zielstrebigkeit zu verdanken. Doch was ist mit dem Erbe, welches sie den Jüngeren hinterlassen? Die „Zeit“ beschreibt es folgendermaßen: „Es ist ein Erbe ohne Zukunft, weil die Babyboomer, während sie materielle Besitztümer anhäuften, nicht genug an die Zukunft gedacht haben. Also an eine Zukunft, die nicht nur komfortabler, sondern auch besser und gerechter und nachhaltiger werden müsste. Geblieben ist, neben Wohlstand, auch das: jahrzehntelange Klimasünden, ein ungerechter Generationenvertrag, ein kaputtes Europa, fragwürdige Vorstellungen von Erfolg und ein Politikstil, der sich vor allem damit beschäftigt, wie alles so bleiben kann, wie es war, und in dem Zukunftsfragen unbeantwortet bleiben.“ Dabei gehört die Zukunft den Generationen nach den Babyboomern. Aber um diese gestalten zu können, braucht es politische und gesellschaftliche Teilhabe. Und wie soll das funktionieren, wenn 50 Prozent des Bundestages noch immer von Babyboomern besetzt sind? Die Forderung „Platz zu machen“ und „endlich ein- und aufzuteilen“ seitens der jungen Leute ist groß.

Ist alles nur schlecht?

Natürlich darf man, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens auch, eine ganze Generation nicht über einen Kamm scheren. Denn nur negative Aspekte kann man den Babyboomern nicht vorwerfen. Beispielsweise beziehen sich heute viele Feministen auf die Erfolge weiblicher Babyboomer, die bereits vor 30 Jahren den Feminismus und die weibliche Emanzipation revolutioniert haben. 

Aus der Sicht der älteren Personen

„Wir sind nicht eure Gegner, und trotzdem sind wir euer Problem. Wir sollen den Platz räumen. Wo sollen wir hin?“, heißt es in einem Artikel des Journalisten Andreas Öhler, der genau dieser angefeindeten Generation angehört. Dass Jugendliche wütend auf ihn und seine Altersgenossen sind, dafür zeigt er Verständnis. Doch er führt auch ein Beispiel auf, was aus „dem Grabenkrieg zwischen Jung und Alt“ hinausführen könnte: „Ein billiges, abgenutztes, vielfach entwertetes Wort – Solidarität. Das meint keine Jahrgangskumpanei, sondern einen generationenübergreifenden -Brückenschlag, der euch in offenen Plenen die Mitbestimmung einräumt und in Firmen nicht all die hochmotivierten Einsteiger mit zynischen Praktika und befristeten Arbeitsplätzen aufbraucht, bevor sie richtig zeigen können, wozu sie fähig sind. Ein neuer Gesellschaftsvertrag ist längst fällig.“ Ein großer Schritt, der natürlich von allen Generationen angenommen und umgesetzt werden muss, der aber auch dazu beitragen kann, Konflikte wenigstens zu vermindern. Gegenseitiges Verständnis muss gefördert werden. Wenn auch nicht unbedingt in der Politik, kann man bei sich selber in den eigenen vier Wänden oder auch am Arbeitsplatz damit anfangen.


 

Teil III: Appelle statt wütender Anfeindungen – Kann es einer Generation gelingen, eine andere von etwas mit Worten zu überzeugen?

„Respekt, ich bin Ü50 und gerade der Schlussteil geht unter die Haut und ist sehr berührend!“, „Mit dem Schlusswort hatte er mich endgültig. Ich bin Vater zweier Teenager und werde mich nochmal intensiv mit meiner Wahlentscheidung auseinandersetzen.“, „Ich bin älter als 55 Jahre und helfe gerne, den Wahnsinn zu stoppen. Und ich habe keine Kinder und damit auch keine Enkel. Ich bin aber nicht bereit zuzusehen, wie sich Menschen die Taschen mit Geld vollstopfen, ohne an die Zukunft nachfolgender Generationen zu denken.“ Das sind nur drei Kommentare von tausenden, die unter dem neuesten Video „Zerstörung Teil 2: Klima-Katastrophe“ des YouTubers Rezo zu finden sind. Dieser rechnet, wie könnte es anders sein, mal wieder mit der unzureichenden deutschen Klimapolitik ab. Doch dieses Mal ist das Zielpublikum nicht die „Generation Z“, sondern die so genannten „Silver Ager“, also Personen, die älter als 50 Jahre alt sind. Wartet man im Laufe des Videos wieder auf eine Anfeindung, wird man überrascht. Rezo spricht mit und nicht über die „Silver Ager“ – und hinterlässt einen Appell. In diesem Teil des Monatsthemas „Generationen zwischen Tradition und Revolution“ wird ein Beispiel aufgeführt, wie man Generationen auch sachlich den „Spiegel vor das Gesicht halten kann“.

„Ihr entscheidet über die Zukunft“

In einer halben Stunde arbeitet sich der 29-Jährige im gewohnten Rezo-Style durch Fakten zur Klimakrise. Wie üblich gibt es ein Quellenverzeichnis zu seinen Aussagen, das über 13 Seiten lang ist. Zunächst bringt er seine Zuschauer auf den aktuellen Stand der Klimakrise, führt an, dass die Erderhitzung keine ferne Zukunftsmusik mehr ist, sondern real und lebensbedrohlich. Für seine Beispiele bezieht sich Rezo auf seriöse Quellen des Weltklimarates IPCC. Das Thema Klimawandel löste in der Vergangenheit schon viele Generationenkonflikte aus. Greta Thunberg und Fridays for Future werden für ihren Einsatz vor allem von der Generation angefeindet, die für diese Krise verantwortlich ist. Doch anstatt Wut mit Ansage kommt in Rezos Video am Ende eine sachliche Bitte. „Wenn ihr jetzt gerade über 50 seid, dann werdet ihr die Klimakrise nur in ihren Anfängen mitbekommen. Wenn ihr also für euch entscheidet, dass euch das Thema gar nicht so wichtig ist, dann kann ich das ein Stück weit verstehen. Denn letztlich ist sich jeder am nächsten. Aber ihr entscheidet über die Zukunft der jungen Generation. Die selbe Generation, die während der Corona-Pandemie ihre eigene Freiheit für die Älteren eingeschränkt hat. Wenn ihr Kinder oder Enkel habt, dann wollt ihr sie ja auch irgendwie schützen. Aber das hilft alles nicht, wenn auch ihr denkt, dass ‚man ja so weiter machen könnte.‘ Ihr habt die Zukunft der jungen Leute in der Hand, und ohne euch, können wir das nicht schaffen“, sind die Schlussworte des YouTubers. Und die eingangs aufgeführten Kommentare zeigen, dass Worte Wirkung haben können. Ob Rezos Videos wirklich helfen, wird sich erst in der Zukunft zeigen. Doch er zeigt, dass Diskussionen ohne wütende Anfeindungen gelingen und dass es immer besser ist, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten. 

Wie löst man so ein Problem?

Natürlich ist mit Rezos Videos ein ganzer Generationenkonflikt noch nicht vom Tisch. Gerade bei einem so großen und wichtigen Thema bedarf es mehr Maßnahmen von den unterschiedlicher Generationen. Es zu versuchen, solche Probleme möglichst zu vermeiden, kann man jedoch schon im privaten Umfeld. Reden, einander zuhören, voneinander lernen und gegenseitiger Respekt sind Punkte, die man sich ruhig ans Herz legen kann. 


 

Teil IV: Wie Alt und Jung miteinander auskommen – Gemeinsame Aktivitäten sowie Maßnahmen für junge Leute können Generationenkonflikte vermeiden

Genug mit den negativen Aspekten, die die verschiedenen Generationen betreffen. Dass es viele Konflikte zwischen Jung und Alt  in allen möglichen Bereichen gibt, wurde in den vergangenen drei Wochen gezeigt. Das Monatsthema „Generationen zwischen Tradition und Revolution“ soll sich im letzten Teil der guten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen widmen. Was tun zum Beispiel Unternehmen, um junge Berufseinsteiger den Job zu erleichtern? Und welche Freizeitgestaltung gibt es für Jung und Alt? Auf die letztgenannte Frage könnten die so genannten MehrGenerationenHäuser (MGH) eine Antwort geben. Dies sind Gebäude, die als generationenübergreifender Treff- oder sogar Wohnort genutzt werden. Sie wurden konzipiert, um das Miteinander und das gegenseitige Unterstützen von Jung und Alt neu zu beleben. So ein MGH findet man auch in Helmstedt wieder. Aktivitäten wie verschiedene Café-Nachmittage, Spiele-Sessions und gemeinsame Treffen zum Frühstück tragen zur Stärkung der Gemeinschaft bei. Neuerdings ist im Hinterhof des MGH ein Sinnesgarten entstanden. Gleich daneben befindet sich der Spielplatz des Kindergartens, sodass auch dort die Großen auf die Kleinen treffen und sich dort in verschiedener Weise dort können. 

Ein leichter Einstieg

Heutzutage bemühen sich Betriebe bereits, um Generation X und Y einen guten Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Für Millennials und die Generation Z sind individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung. Ihnen schwebt häufig allerdings nicht der Aufstieg auf einer starren Karriereleiter vor – ein großes Büro, ein Dienstwagen oder ein Titel à la „Head of …“ ist ihnen weniger wichtig als noch Mitarbeitern aus vorherigen Generationen. Vielmehr wünschen sie sich ein offenes Ohr für ihre Anliegen und flexibel gedachte Aufstiegsmöglichkeiten. Diese sollen ihnen bestenfalls den nötigen Freiraum lassen, um ihre Kompetenzen individuell weiterzuentwickeln. Führungspositionen, die mit vielen Überstunden und wenig Freizeit einhergehen, sind für viele hingegen unattraktiv. Mit dem Eintritt der Babyboomer in die Rente werden die jungen Generationen jedoch in die leitenden Positionen aufsteigen. Diese haben zwar häufiger als andere Generationen einen Hochschulabschluss, fühlen sich aber oft noch nicht gewappnet, andere zu führen oder auch Konflikte zu lösen. Nach und nach den jungen Generationen mehr Verantwortung zu geben und sie in verschiedene Projekte einzubinden, stellt einen möglichen Weg dar. „Respekt lässt sich schließlich am besten mit Leistung und Performance verdienen. Generell helfen auch immer ein offener Austausch zwischen den Mitarbeitern sowie sachliche -Kritikäußerung, um voneinander zu lernen und erfolgreich zusammenzuarbeiten. Jüngeren Menschen ist Feedback sehr wichtig, da sie meist damit aufgewachsen sind – von Eltern, Erziehern, Lehrern oder auch den Followern in den sozialen Medien sind sie ständiges Feedback gewohnt. Vermutlich wird sich mit den jungen Generationen aber auch das Führungsbild verändern und sich in Richtung geteilte Führungspositionen und dezentrale Teams weiterentwickeln“, so beschreibt es Mike Warmeling, Gründer von Warmeling Consulting, nur um ein Beispiel zu nennen. 

Einander Mut geben

Dass Ältere eine andere Sicht auf die Welt haben, als die neuere Generation, dürfte jedem klar sein. Der Wandel der Zeit ist vermutlich verantwortlich für die Entwicklung der verschiedenen Bereiche eines jeden Lebens: Arbeit, Familie, Schule und Studium sowie vieles mehr. Allerdings bleiben Respekt, Leistung und Arbeitsfreude erhalten, wenn man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet. Das heißt ebenfalls, dass beispielsweise im Beruf der dynamische Seniorchef einen Schritt zurück machen sollte, damit der Junior auch einen eigenen Verantwortungsbereich übernehmen kann. Für beide Seiten gilt der Appell: „Traut einander etwas zu, dann bestärkt ihr euch in eurem Tun.” Im altersgemischten Team kommen die Stärken der Jüngeren und Älteren optimal zur Geltung.  Generationenkonflikte können natürlich weiterhin entstehen, aber man kann lernen, diese sachlich und respektvoll zu lösen. 

+ posts

Natalie Tönnies, geboren 1999 in Schönebeck (Elbe), ist das Küken in der Redaktion des HELMSTEDTER SONNTAG und steckt mitten in ihrem Volontariat. Die Danndorferin ist eine leidenschaftliche Sportschützin mit einer kleinen Abneigung gegenüber (Führerschein-)Prüfungen. Sie schreibt unheimlich gerne die Fleischerseite des HELMSTEDTER SONNTAG.