Es geht um die Behauptung, dass Linkshänder in bestimmten Bereichen bessers als Rechtshänder sind.

von Natalie Reckardt

Klüger, sportlicher, kreativer – Sind Linkshänder wirklich besser als Rechtshänder? Die Liste der Mythen um Linkshänder ist lang. Ob sie stimmen, soll in der „Ist das wirklich so?“-Reihe des HELMSTEDTER SONNTAG auf den Grund gegangen werden. Napoleon, Einstein und Beethoven, bekannte Menschen aus der Weltgeschichte, sollen Linkshänder gewesen sein. Allerdings beweise dies noch lange nicht, dass Linkshänder automatisch zu den schlaueren Menschen gehören. In einer englischen Studie, bei der 11.000 Kinder getestet wurden, wurde erforscht, dass unter den „hochbegabten“ Kindern deutlich mehr Linkshänder zu verzeichnen waren, zugleich gab es aber auch bei den „lernschwachen“ Kindern mehr Links- als Rechtshänder. Zudem zeigte ein IQ-Test, dass der Intelligenzquotient bei beiden Parteien immer gleich zu sein schien.

Sind Linkshänder kreativer?

Vor Jahren gab es noch die Annahme, dass Linkshänder in der Kreativität den Rechtshändern überlegen wären. Es steht zwar fest, dass das Gehirn verschiedene Zentren hat, die jeweils für die Logik beziehungsweise Kreativität zuständig sind. Da die rechte Gehirnhälfte die linke Hand steuert, galt die Annahme, dass Linkshänder kreativer seien. Diese Einschätzung gilt aber heute als überholt und wird nicht mehr so häufig verbreitet.

Linkshänder denken anders

Tatsächlich wahr könnte hingegen sein, dass Linkshänder anders denken. Zurückzuführen ist die Annahme abermals auf das Gehirn. Wie schon erwähnt, steuert die rechte Gehirnhälfte die linke Hand, dadurch werden auch andere Bereiche im Hirn aktiviert. Das beeinflusst die Wahrnehmung. Rechtshänder nehmen Sinneseindrücke mit der linken Gehirnhälfte auf, welche für rationales Denken zuständig ist. Linkshänder verarbeiten hingegen Sinneseindrücke mit der rechten Gehirnhälfte, die für Kreativität steht. Zudem werden bei Linkshändern während des Sprechvorgangs beide Gehirnhälften aktiv, bei Rechtshändern hingegen größtenteils nur die linke. Das soll aber keinesfalls bedeuten, dass Linkshänder „besser denken“, allerdings geht man davon aus, dass sie wortgewandter seien.Da auch die rechte Seite des Gehirns für Emotionen zuständig ist, sagt man Linkshändern nach, emotionaler zu sein und zu agieren.

Negative Folgen?

Nicht nur Positives sagt man den Linkshändern nach. So heißt es auf der Webseite www.gesundheit.de, dass Linkshänder öfter zu Allergien, Epilepsie, Depressionen, Autoimmunerkrankungen, Drogenabhängigkeit oder Schlafstörungen neigten. Andere Forscher gehen davon aus, dass Linkshänder auch schlechtere räumliche Fähigkeiten haben und daher häufiger zu Unfällen neigen. Die im Wissenschaftsmagazin „The Lancet“ veröffentlichte Studie hat aber immerhin mit einem Vorurteil aufgeräumt: Linkshänder sterben nicht früher, heißt es dort.

Wann entscheidet es sich, ob jemand mit links oder rechts schreibt?

Wissenschaftler der Queen‘s University in Irland konnten beobachten, dass die Entscheidung der Dominanz einer Körperseite bereits im Mutterleib und noch vor der 15. Schwangerschaftswoche geschieht. Die Forscher sahen sich Ultraschallbilder von mehr als 1.000 Föten an und fanden heraus, dass 90 Prozent der Ungeborenen den rechten Daumen zum Nuckeln benutzten. Bei der Nachuntersuchung an 75 Kindern im Schulalter wurde bestätigt, dass alle „Rechtsnuckler“ auch Rechtshänder geworden waren. Von den „Linksnucklern“ dagegen entwickelten sich nur zwei Drittel zu Linkshändern. Ob ein Drittel der „Linksnuckler“ umerzogene Rechtshänder waren, haben die Forscher allerdings nicht untersucht.

Es wird auch heute noch „umerzogen“

Apropos „Umerziehung“: Noch immer kommt es vor, dass unwissende Eltern ihre Kinder „umerziehen“, sie also zu Rechtshändern machen, obwohl sie eigentlich Linkshänder sind. Pädagoge, Autor und Experte für Linkshänder Frank Steinkopf erklärte dies folgendermaßen: „Das liegt unter anderem daran, dass unsere Welt für Rechtshänder gemacht ist. Ein Beweggrund, warum sich manche Linkshänder, meistens sehr früh im Kindesalter, selbst auf Rechtshändigkeit umstellen. Kinder lernen durch Nachahmung und es beeinflusst sie beispielsweise schon im Kleinkindalter, von welcher Seite ihnen das Spielzeug gereicht wird oder auf welche Seite der Löffel zum Essen liegt. Auch Sätze wie ‚Nimm doch die gute Hand‘ haben bei Kindern eine große Wirkung. Da eine Umerziehung zu weitreichenden Problemen wie Stottern, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten, Blackouts, vorzeitiger Erschöpfung, Schlafstörungen und sogar psychischen Problemen wie Depression führen kann, wird heute dringend von einer Umerziehung abgeraten.“

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Natalie Tönnies, geboren 1999 in Schönebeck (Elbe), ist das Küken in der Redaktion des HELMSTEDTER SONNTAG und steckt mitten in ihrem Volontariat. Die Danndorferin ist eine leidenschaftliche Sportschützin mit einer kleinen Abneigung gegenüber (Führerschein-)Prüfungen. Sie schreibt unheimlich gerne die Fleischerseite des HELMSTEDTER SONNTAG.