Rami Zain Rahabi floh im November 2015 mit seiner Frau aus Idlib. Als gelernter Krankenpfleger wollte er seine beruflichen Fähigkeiten auch hier einsetzen. Ein Weg, der zwar langwierig aber dank seiner großen Motivation und der Hilfe der Anerkennungsberatung, letztlich erfolgreich war.Wolfsburg./Helmstedt. Die kleine Lara ist mittlerweile fast ein Jahr alt und krabbelt vergnügt und unbeschwert über den Boden. Ihr Name bedeutet im arabischen „Mondlicht“. Ihre Eltern – der 34 – jährige Rami und die 30- jährige B´dour – gaben ihr den Namen, weil das Mädchen icht ins Dunkle bringe.
„Wir hatten keine Wahl. Wir mussten fliehen.“
Vor dreineinhalb Jahren, im November 2015, floh das Paar aus Idlib im Norden Syriens. Der gelernte Krankenpfleger, der berufsbegleitend zusätzlich noch Krankenpflege in seiner Heimat studierte, hatte gerade seine Schicht begonnen, als das Klinikum von Bomben getroffen wurde. Seine Arbeitsstätte war zerstört, ebenso wurde der Druck immer stärker zur Armee gehen zu müssen. Es blieb dem jungen Paar letztlich nur noch die Flucht aus Idlib: „Wir hatten keine Wahl. Wir mussten fliehen. Wir kamen über die Türkei auf der Westbalkanroute nach Deutschland. Nach 16 Tagen kamen wir in Passau an. Von hier aus wurden wir auf ganz Deutschland verteilt. B´dour und ich kamen nach Wolfsburg. Nachdem wir sechs Monate in Mörse in einer Sporthalle untergebracht waren, kamen wir für acht Monate nach Detmerode in eine Aufnahmeeinrichtung. Wir waren froh und dankbar, in Sicherheit zu sein. Es waren die ehrenamtlichen Helfer in Mörse, die uns, wo es nur ging, unterstützten und heute zu guten Freunden geworden sind.“
Rami erzählt es in fast perfektem Deutsch, er überlegt manchmal kurz und verbessert sich selbst bei jedem noch so kleinen Fehler. Iwona Lubanska, Mitarbeiterin der Anerkennungsberatung im Jobcenter Wolfsburg, muss lächeln: „So kenne ich Rami und seine Frau. Sie sind beide totale Perfektionisten, was die deutsche Sprache betrifft. Sie wollen immer noch mehr erreichen und besser werden. Neben Integrationskursen haben die beiden zahlreiche online Kurse absolviert, Apps zum Üben genutzt und an weiteren fachspezifischen Kursen teilgenommen. Die beiden sind hochmotiviert, extrem ehrgeizig und herzensgut.“
Für Rami war es selbstverständlich, dass er nach dem Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse in seinem erlernten Beruf arbeiten wollte.
Deutsche Bürokratie: Um in seinem gelernten Beruf zu arbeiten, brauchte Rami viele Nachweise
Seine Frau ist Agraringenieurin, beide haben gemeinsam in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft ein zweimonatiges Praktikum in der Altenpflege absolviert, um berufliche Erfahrungen in Deutschland zu sammeln.
2016 hat sich Rami bei Iwona Lubanska in der Anerkennungsberatungsstelle informiert. Diese erklärte, dass der Beruf des Krankenpfleers reglementiert sei. Das bedeutet, dass die Ausübung dieses Berufs durch staatliche Vorschriften an den Besitz bestimmter Qualifikationen gebunden ist. „Um in dem Beruf ohne Einschränkung zu arbeiten, braucht er eine staatliche Erlaubnis. Um diese zu bekommen, benötigte er unter anderem Nachweise über seine abgeschlossene Ausbildung und über seine Berufserfahrung aus seiner Heimat. Weiterhin musste er die deutsche Sprache mindestens auf dem B2 Niveau beherrschen. Rami hatte keine Unterlagen dabei. Ich musste ihm sagen, dass er Geduld braucht, er musste sich auf ein langwieriges Verfahren einrichten“, erinnert sich Lubanska.
Es hat mehrere Monate gedauert und viel Arbeit gekostet, bis die Nachweise aus Syrien in Deutschland ankamen. In dieser Zeit hat er intensiv die Sprache gelernt und sich ehrenamtlich in einem Altenheim engagiert. Aufgrund der politischen Lage und der Kriegszerstörungen in seiner Heimatstadt war es ihm nicht möglich, vollständige Unterlagen zu besorgen. Das Krankenhaus, in dem er arbeitete, wurde zerbombt, ebenso wie das Schularchiv.
Nach der Vorprüfung der Unterlagen bei der Anerkennungsberatung wurde im Mai 2017 der Antrag auf Gleichwertigkeitsprüfung beim Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend in Lüneburg gestellt. Der Bescheid besagte, dass einige Unterschiede in Theorie und Praxis zur deutschen Ausbildung bestehen. In dem Fall hieß es nicht, dass er die Fähigkeiten nicht besaß, er konnte sie nur aufgrund fehlender Unterlagen nicht nachweisen.
Rami erinnert sich: „Frau Lubanska erklärte mir, dass ich einen Vorbereitungslehrgang für eine Prüfung absolvieren muss, um in meinen Beruf arbeiten zu dürfen. Der Vorbereitungskurs für die Prüfung an der Volkshochschule in Braunschweig begann im Februar 2018. Mittlerweile war auch unsere Tochter Lara geboren. Gleichzeitig habe ich versucht, so schnell wie möglich, die deutschen Fachbegriffe zu erlernen, die ich für meinen Beruf brauche. Das war eine anstrengende, aber aufregende Zeit.“
Noch während des Vorbereitungskurses hat er eine Stelle als Helfer in der Altenpflege in Wolfsburg angenommen.
Mehrere Monate hat er so parallel gearbeitet, den Kurs in Braunschweig besucht, für seine Prüfungen gelernt und sich als frischgebackener Familienvater seinen neuen Aufgaben gestellt.
Im Oktober war es endlich soweit, er absolvierte die mehrstündigen theoretischen und praktischen Prüfungen in der Pflegeschule Braunschweig: „Als mir die Prüferin am Ende sagte, dass ich bestanden habe, kamen mir die Tränen. Ich war so glücklich, dass sich unsere Mühen gelohnt haben.“
Iwona Lubanska resümiert: „Der Weg zu dieser Anerkennung war lang und wurde durch die Anerkennungsberatung und der Arbeitsvermittlung im Jobcenter Wolfsburg begleitet und unterstützt. Krankenpfleger werden dringend gebraucht und er kann, mit seinem frisch erworbenen Zertifikat, jetzt als Fachkraft hier in Deutschland durchstarten. Es freut mich so sehr, dass er ans Ziel gekommen ist. Die drei sind eine wunderbare Familie, die es wirklich mehr als verdient haben, jetzt in Wolfsburg voll und ganz angekommen zu sein.“
Am 1. April beginnt er im Klinikum Wolfsburg seine Tätigkeit als anerkannter Gesundheits- und Krankenpfleger.
„Ich freue mich auf meine Arbeit in Deutschland und darauf mit meiner Familie in Deutschland ein neues Leben zu führen“, so Rami positiv. Seine Frau B´dour ergänzt: „Sobald wir für Lara einen Kindergartenplatz gefunden habe, werde ich einen beruflichen Weg für mich finden. Frau Lubanska hat mir schon zugesagt, mich dabei zu unterstützen. Darauf freue ich mich.“
Der Bürgerkrieg in Syrien hat in seinem neunten Jahr nichts an Schrecken, Terror und Gewalt verloren: Etwa 11,7 Millionen Menschen benötigen dringend humanitäre Hilfe. Keine andere Krise ist für die Vertreibung so vieler Menschen verantwortlich (Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Hälfte der syrischen Bevölkerung flüchten musste), wie der Syrien-Konflikt. Seit dem Kriegsausbruch 2011 wurden hunderttausende Menschen verfolgt, gefoltert und umgebracht. Über fünf Millionen flohen in Nachbarländer, mehr als sechs Millionen Syrer sind Vertriebene im eigenen Land. Viele Städte sind großflächig zerstört und nicht mehr bewohnbar. Der Syrien-Krieg gilt als die schlimmste humanitäre Krise der heutigen Neuzeit.
Katharina Loof, geboren 1980 in Nordrhein-Westfalen, begann ihre journalistische Tätigkeit im Kölner Raum, bevor sie 2010 nach Schöningen zog. Die dreifache Mutter mag Dorf-Klüngel und Pflastersteine auf vollen Marktplätzen. Am Lokaljournalismus schätzt die Esbeckerin die Nähe zum Menschen. Die Karnevalistin tritt gerne mal zu stark auf’s Gas: sowohl im Fahrzeug als auch bei der Freigabe der Autokorrektur.