Helmstedt. 1.101 direkt betroffene Menschen suchten im vergangenen Jahr die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch für den Landkreis Helmstedt auf. Ein Pensum, das die Diplom Psychiologin des Vereins „Rückenwind“ Michaela Siano längst nicht mehr alleine stemmen kann. Vom Landkreis erhofft sich der Vorstand Unterstützung. 912 Einzelfallberatungen in persönlichen und telefonischen Gesprächen, knapp 180 Beratungen für Fachkräfte, Mail-Korrespondenz, Begleitung zu Gerichtsterminen, Öffentlichkeits- sowie Präventionsarbeit, Networking und Kooperation… Das Aufgabenspektrum, auf das Michaela Siano, Diplom-Psychologin bei „Rückenwind“, verweist ist vielfältig.
Insgesamt 101 direkt betroffene Menschen suchten im vergangenen Jahr die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch für den Landkreis Helmstedt auf. Dabei steigt die Zahl der Ratsuchenden stetig an. Zum Vergleich: Im Jahr 1996 waren es 46 Menschen, die den Verein in Haus der Diakonie aufsuchten. Ein trauriger Trend, der verdeutlicht, wie wichtig, die Arbeit Sianos ist. Umso trauriger, dass die Diplom-Psychologin alleine für die zum Teil stark traumatisierten Menschen kämpft.
Wegen der personellen Notsituation müssen Betroffene teils monatelang auf einen Beratungstermin warten
„Ich bin am Limit angekommen“; gibt Siano zu. Mails werden längst außerhalb der Sprechzeiten noch abgerufen und beantwortet, für Betroffene ist die Psychologin möglichst jederzeit erreichbar, selbst Urlaube werden auf kurzer Auszeiten reduziert, um der hohen Nachfrage an Beratung gerecht zu werden. Und doch scheint der persönliche Einsatz, trotz der ehrenamtlichen Unterstützung des Vorstandes nicht auszureichen. Betroffene müssen mittlerweile monatelang auf einen Termin warten.
Eine fatale Entwicklung, über die der Verein auch mit einem Stand auf dem Helmstedter Weihnachtsmarkt am Sonnabend, 14. Dezember, informieren möchte.
Vom Landkreis erhofft sich der Vereinsvorstand Unterstützung, um mindestens eine neue Stelle zu schaffen. „Wir haben einen Antrag auf sowohl eine zusätzliche Fachkraft, als auch auf eine Bürohilfe, die Michaela Siano bei ihren administrativen Tätigkeiten zur Seite stehen soll, beim Landkreis gestellt“, berichtet die Vorsitzende des Vereins, Katja Georgi.
Doch nur eine Bürohilfe sei bewilligt worden. Und das obwohl den Mitgliedern stets Hoffnung auf Unterstützung gegeben worden sei. „Das ist umso frustrierender“, klagt Siano. „In Gesprächen bekräft man uns in unseren Forderungen, aber letztendlich kommt nichts dabei herum.“ Nicht nur an den Landkreis habe man sich gewandt, auch an die umliegenden Kommunen sowie an das Jugend- und Sozialamt. „Irgendwer muss sich doch zuständig sehen“, sagt Georgi.
„Auch der Landkreis stößt an seine Grenzen“
„Wir erkennen die Notwendigkeit der Vereinsarbeit“, bekräftige auf Anfrage unserer Zeitung auch Landrat Gerhard Radeck. Jedoch sehe man sich nicht in der Lage, dem Verein „weitere Zuwendungen“ zu genehmigen. „Rückenwind ist ein Verein und keine Organisation des Landkreises“, so Radeck. Die Unterstützung beruhe auf freiwilligen Leistungen, die aufgrund des defizitären Haushaltes an ihre Grenzen stoße. Immerhin erält der Verein aktuell 33.600 Euro finanzielle Zuwendungen. 16.000 Euro seien alleine für die beantragte Bürokraft bereit gestellt worden. „Mehr ist zur Zeit nicht drin“, bestätigte Radeck weiter. „Das heißt allerdings nicht, dass eine Unterstützung weiterhin ausgeschlossen ist“ – ein entsprechender Antrag müsse jedes Jahr auf’s Neue diskutiert werden.
Weitere Informationen gibt es online unter www.rueckenwind-helmstedt.de.
Katharina Loof, geboren 1980 in Nordrhein-Westfalen, begann ihre journalistische Tätigkeit im Kölner Raum, bevor sie 2010 nach Schöningen zog. Die dreifache Mutter mag Dorf-Klüngel und Pflastersteine auf vollen Marktplätzen. Am Lokaljournalismus schätzt die Esbeckerin die Nähe zum Menschen. Die Karnevalistin tritt gerne mal zu stark auf’s Gas: sowohl im Fahrzeug als auch bei der Freigabe der Autokorrektur.