Es geht um die Behauptung, dass Spinat stark machen soll.

von Nico Jäkel

Für die jüngere Generation ist er vermutlich eher unbekannt, für die Älteren jedoch das Sinnbild für jugendgerechte Lebensmit-telwerbung: Popeye. Der schlacksige Matrose, der beim Verzehr einer Dose Spinat super stark wird. Das Markenzeichen Popeyes, zumindest in den Zeichentrickfilmen, veranlasste in früheren Jahren nicht wenige Eltern ihren Kindern den Spinatkonsum „näher zu bringen“. Die stärkende Wirkung des Spinates basierte nämlich auf der Annahme, ein außergewöhnlich hoher Eisenanteil im Gemüse würde die Muskelkraft nachhaltig stärken. Nun entstand die Comicfigur vor über 100 Jahren und die Annahme stützte sich auf eine Untersuchung aus dem 19. Jahrhundert… Ein klarer Fall für die Frage: „Ist das so?“ im HELMSTEDTER SONNTAG.

Leider kein Spitzenreiter

Eisen, das weiß man heute noch deutlich genauer als zum Ende des 19. Jahrhunderts, ist vor allem für die Blutbildung wichtig. Daher gilt Blutwurst auch als eines der Lebensmittel mit dem höchsten Eisengehalt überhaupt. Je nach Zusammensetzung liefert sie etwa 25 bis 30 Milligramm pro 100 Gramm. Dicht gefolgt wird sie von Leber mit etwa 18 bis 20 Milligramm. In der gleichen Liga spielt rote Paprika mit etwa 20 Milligramm Eisen pro 100 Gramm und auch Weizenkleie liegt mit 18 Milligramm gut im Rennen.Doch wo in dieser Aufzählung bleibt der Spinat? Laut damaliger Annahme (und vor allem weltweit verbreiteter Meinung) müsste er ganz oben auf der Liste stehen. 35 Milligramm Eisen sollte Spinat pro 100 Gramm liefern.

Ein kleiner Fehler mit Folgen

Das Mysterium der 35 Milligramm geht auf eine falsche Annahme zurück. Als der Schweizer Wissenschaftler Gustav von Bunge 1890 den Eisengehalt von Spinat untersuchte, nutzte er dafür getrockneten Spinat. Das Resultat waren tatsächlich die genannten 35 Milligramm. Das hervorragende Ergebnis wurde allgemein auf Spinat, also auch auf frischen, beziehungsweise eingekochten oder tiefgekühlten, übertragen. Dabei wurde allerdings nicht berücksichtigt, dass der Eisengehalt pro 100 Gramm Spinat bei frischer Ware natürlich ein anderer sein muss, denn wie die meisten Gemüse besteht auch Spinat zu einem Großteil aus Wasser. Somit hat er in der Realität nur etwa ein Zehntel der Menge an Eisen wie in der Legende: 3,5 Milligramm.

Dennoch sehr gesund

Wenngleich Spinat nun nicht der Spitzenreiter im Bereich Eisen ist, so ist er, umgeben von anderen Gemüsen mit Ausnahme von Paprika, noch immer gut dabei. Durchschnittlich liefert „Gemüse“ nämlich etwa nur einen Milli-gramm Eisen pro 100 Gramm Rohmasse. Natürlich gibt es auch Ausreißer nach oben, wie den saisonal gerade wieder sehr beliebten Spargel mit 2,1 Gramm. In Summe aber bleibt Spinat schon überdurchschnittlich.Nun doch ein Starkmacher?Eine potenzielle Kraftsteigerung haftet trotz allem weiter am Spi-nat. Eine im Jahr 2012 veröffent-lichte Studie des schwedischen Karolinska-Instituts kommt zur Auffassung, dass nicht das Eisen, aber die im Spinat enthaltenen Nitrate das Wachstum von Mus-keln, insbesondere jene für die Ausdauer, fördern können.Laut einer weiteren Studie der Freien Universität Berlin von 2019 kann ein im Spinat enthal-tenes Ecdysteroid, das Ecdyste-ron, eine Wirkung entfalten, die zu Kraftzuwachs und Leistungs-steigerung führt. Untersucht wurden dabei Sportler, die während eines zehnwöchigen Krafttrainings die im Spinat in deutlich geringerer Konzentration enthaltene Substanz verabreicht bekamen. Die mit Ecdysteron Behandelten zeigten einen deutlich höheren Kraftzuwachs als die Kontrollgruppe. In der Folge wurde der internationalen Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) daher empfohlen, die Substanz auf die Dopingliste zu setzen. Bleibt als Fazit: Spinat macht doch stark. Allerdings nur in größeren Mengen. Gesund ist er aber auch schon in kleinen Portionen.

+ posts

Nico Jäkel, geboren 1981 in Helmstedt, ist ausgebildeter Redakteur, selbstständiger Fotograf und ein leidenschaftlicher Hobbykoch mit einer gigantischen Sammlung an Kochbüchern. Seine Markenzeichen sind verschachtelte Sätze. Zusätzlich zu seinem Faible für Produkttestungen, engagiert sich der Lokalpatriot in seiner Heimatstadt Schöningen.