von Katja Weber-Diedrich
Es war schon mehrfach Thema im HELMSTEDTER SONNTAG, dass Corona-Genesene auch ein halbes Jahr nach ihrer Corona-Infektion womöglich keine Impfung „brauchen“, da ihre Antikörperzahl so hoch ist. Nun hat das Robert Koch Institut (RKI) den Zeitraum, für den an Corona Erkrankte als genesen gelten, noch einmal verkürzt, sodass das Thema womöglich erneut aktuell wird. Ist es wirklich so, dass die Zahl der Antikörper, die sich nach einer überstandenen Infektion gebildet hat, überhaupt keine Rolle bezüglich des Genesenen-Status spielt?
Erstmalig berichteten wir über ein Paar, bei dem durch einen Test Antikörper im dreistelligen Bereich festgestellt wurden. Ähnlich „Betroffene“ meldeten sich darauf und gaben Tipps. Einer davon war, dass das Gesundheitsamt den Genesenen-Bescheid aufgrund eines nachgewiesenen, hohen Antikörperwertes verlängern könnte. Die Antwort auf die Frage, ob das wirklich so ist, liefert ausgerechnet derselbe Leser, der diesen Vorschlag gemacht hatte: Nein.
Im April 2021 erkrankte er schwer an Corona, musste zwei Wochen ins Krankenhaus und davon sogar vier Tage auf der Intensivstation beatmet werden. Bei der Entlassung habe die Klinik-Ärztin dringend appelliert, sich mindestens ein halbes Jahr lang nicht impfen zu lassen, bevor für den Genesenen noch eine dreiwöchige Anschlussheilbehandlung anstand. Das Gesundheitsamt stellte anhand der Diagnose und des Entlassungsberichtes aus dem Krankenhaus den „üblichen“ Genesenennachweis aus, der bis Mitte Oktober gültig war.
Gesundheitsamt verlängerte Bescheid nicht
Ein freiwilliger Antikörpertest im Oktober ergab für den Mann eine sehr hohe, vierstellige Zahl an Antikörpern gegen das Coronavirus, die ihn dazu verleitete, eine Verlängerung seiner Genesenen-Bescheinigung beim Gesundheitsamt zu beantragen. Die Verlängerung wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass der Genesenen-Status sich auf einen Zeitraum, nicht aber auf eine Antikörperzahl bezieht.
Hätte der Mann nun geklagt, wäre er womöglich ebenso gescheitert, wie ein anderer Genesener, der aus eben diesem Grund vor Gericht gezogen war, wie die Berliner Zeitung ganz aktuell berichtet. Der Kläger hatte nach einer Erkrankung im April auch ein halbes Jahr später noch eine sehr hohe Antikörperzahl, die er nutzen wollte, um weiterhin als genesen zu gelten und eine Impfung zu umgehen. Die Befristung des GenesenenStatus auf den Zeitraum von sechs Monaten sei wissenschaftlich mittlerweile überholt, hatte der Mann argumentiert, von dem die Berliner Zeitung berichtet und zu dem das Würzburger Verwaltungsgericht ein Urteil fällte. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag als „unbegründet“ ab.
Genesenen-Status gilt nur noch drei Monate
Inzwischen hat das RKI bezüglich des Genesenenstatus ohnehin noch einmal deutlich nachgeschärft. Am vergangenen Wochenende entschied es, dass diejenigen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, nur noch 90 Tage lang als genesen gelten. Dazu teilte das RKI mit: „Diese Vorgaben werden regelmäßig überprüft und können sich gemäß Stand der Wissenschaft ändern.“
Als Grund für die Verringerung auf drei Monate wird die hoch anste-ckende Omikron-Variante des Virus genannt, die Geimpfte ebenfalls befalle, wenn sie bei immunisierten Personen auch deutlich milder verläuft. Da passt ein Bericht des Magazins Focus Online eigentlich so gar nicht ins Bild, beschreibt der Lübecker Arzt für Laboratoriumsmedizin und Vorstandsvorsitzenden des Berufsverbands Deutscher Laborärzte Andreas Bobrowski doch das Gegenteil. Eindeutige Grenzen, ab welchem Wert die Antikörper vor einer Infektion oder Erkrankung schützen, seien offiziell bisher noch nicht festgelegt, aber es gebe inzwischen erste Annäherungen, heißt es in dem Interview. Bobrowski hat laut Focus Grenzwerte ermittelt: „Liegt der Antikörperspiegel unter einem Wert von 21,8 BAU, hat die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Immunschutz gegen Corona. Liegt er über einem Wert von 44 BAU, hat die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Immunschutz gegen Corona.“
Gemessen wird, wie viele Antikörper sich binden
BAU, das steht für „Bindende Antikörper Units“ und gilt als Standard-Maßeinheit, mit der Antikörper dargestellt werden können. Gemeint ist dabei immer die BAU je Milliliter Blut. Der Mediziner jedenfalls sagte dem Focus: „Generell können wir zwar davon ausgehen, dass eine Person mit einem BAU-Wert von über 1.000 durchaus einen Vollschutz hat. Ob das allerdings nicht vielleicht schon bei 30 oder 40 der Fall ist, können wir im Moment noch nicht sagen.“
Auch beim Bayerischen Rundfunk gibt es einen passenden Beitrag dazu, der allerdings deutlich höhere Werte nennt. In der Rubrik „Gut zu wissen“ berichtet der BR auf seinem YouTube-Kanal von einer Studie aus den USA, die Hinweise darauf gebe, wie viele Antikörper ein Mensch braucht, um vor Covid-19 geschützt zu sein. In dem Beitrag berichtet der Immunologe Professor Dr. Carsten Watzl von der TU Dortmund, dass die Studie herausgefunden habe, dass eine Antikörper-anzahl von 300 BAU pro Milliliter mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit 100 Tage lang gegen eine Infektion schütze. Allerdings bezog sich die Studie auf die Alpha-Variante des Virus. In Großbritannien fanden Forscher heraus, dass 500 BAU je Milliliter notwendig sind, um gegen die Delta-Variante geschützt zu sein…
Omikron sorgt dafür, dass vorsichtig agiert wird
Für Omikron gibt es zum jetzigen Zeitpunkt freilich noch keine Daten. Aber das RKI zeigte sich vorsichtig gegenüber der infektiösen Variante und reduzierte die Genesenen-Zeit. Im oben genannten Beitrag des BR wird außerdem deutlich, dass es absolut ungefährlich sei, sich trotz hoher Antikörperzahl (nochmal) impfen zu lassen…
Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.