Helmstedt. Der Deutsche Bundestag zeigt am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine Flagge: Neben der Beflaggung an der Ost- und Westseite des Reichstagsgebäudes wird die Nationalflagge der Ukraine zusätzlich auf dem Südwestturm des Reichstagsgebäudes gehisst. Auch im Landkreis Helmstedt wird am Freitag, 24. Februar 2023, allerorts Solidarität mit dem ukrainischen Volk ausgedrückt.
Denn als Russlands Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 sein Nachbarland überfallen ließ, stockte der ganzen Welt der Atem. Inzwischen ist ein ganzes Jahr vergangen, in dem das ukrainische Volk sich tapfer den russischen Invasoren entgegenstellt und die beinahe ganze Welt nie aufgehört hat, die Ukraine zu unterstützen – auf die vielfältigste Weise.
Flüchtlingsanlaufstellen wurden geschaffen – die Kanthalle kann dem Sport zurückgegeben werden
Der Krieg bringt natürlich viel Leid, Tote und Verletzte mit sich. Tausende flohen aus ihrer Heimat ins Ausland, auch in den Landkreis Helmstedt. Das wiederum bedeutete auch hier vor Ort Ideenreichtum, mussten die geflüchteten Menschen doch erst einmal eine zentrale Anlaufstelle haben. In der Jugendherberge in Schöningen in der alten Schule in Esbeck und zuletzt auch noch in der Kanthalle in Helmstedt wurden solche Anlaufstellen geschaffen.
Bei der jüngsten Kreistagssitzung wurde übrigens bekannt gegeben, dass die Kanthalle nicht mehr gebraucht wird und zurückgebaut werden kann, sodass sie dem Helmstedter Sport wieder zur Verfügung stehen kann.
Kleiderstiftung bittet um Unterstützung
Im Kriegsgebiet selbst ist seit einem Jahr humanitäre Hilfe gefragt. Die Deutsche Kleiderstiftung, die ihren Hauptsitz in Helmstedt hat, ist seit Kriegsbeginn für die betroffene Bevölkerung tätig und bittet nun um weitere Unterstützung: „Die Kleiderstiftung ist schon seit 2015 in der Ostukraine engagiert. Seit Beginn des Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine ist unsere Hilfe besonders gefragt“, sagt Ulrich Müller, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Kleiderstiftung. In den Regionen um Donezk und Luhansk wurden schon vor Jahren zahlreiche unbeteiligte Zivilisten Opfer der Kämpfe zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Die Bürgerinnen und Bürger verloren ihre Häuser und ihre Habe. Um sie beim Start in ein neues Leben zu unterstützen, sammelt die Deutsche Kleiderstiftung gut erhaltene Kleidung, Schuhe und Haushaltswäsche.
Mit dem Kriegsausbruch in der gesamten Ukraine vor genau einem Jahr waren zunächst auch die Hilfslieferungen erschwert und nicht mehr planbar. Vor allem große Lieferungen, die die Stiftung in LKW losschickte, waren zu gefährlich. Zusammen mit der polnischen Caritas Diecezji Gliwickiej brachte die Hilfsorganisation deshalb Kleiderspenden in die Westukraine. Die Transporte fuhren von Deutschland in die Region Gliwice in Polen. Dort angekommen wurden die Güter zunächst nach aktuellen Bedarfen in Kartons zusammengestellt und in die ukrainische Grenzregion gebracht. Dann gingen per Kleintransporter Hilfsgüter an Standorte der Caritas in den Städten Sambir, Drohobytsch, Stryj, Borysław und Schytomyr.
Auch innerhalb Deutschlands konnte die Kleiderstiftung Geflüchteten helfen. Viele kamen mit nur einem gepackten Koffer, auf unterschiedliche Witterungen und vor allem einen monatelangen Aufenthalt konnte sich niemand vorbereiten. So waren die Ukrainer*innen dankbar für Kleidung und Schuhe.
Die Stiftung nahm Mitte des vergangenen Jahres wieder Transporte in das vom Krieg geschüttelte Land auf. „Auch unter schwierigen Bedingungen können die örtlichen Kooperationspartner die Verteilungen aktuell wieder sicherstellen“, erläutert Ulrich Müller. Weitere Transporte mit Kleiderspenden seien daher notwendig und willkommen. Die Stiftung bittet nun bundesweit um Unterstützung. Gut erhaltene Kleidung und Schuhe sowie Bettwäsche und Handtücher können unkompliziert an die Non-Profit-Organisation gesendet werden. Paketscheine für einen kostenlosen Versand gibt es auf der Internetseite kleiderstiftung.de. Mit einer Geldspende können die Hilfstransporte zusätzlich unterstützt werden. Gespendet werden kann über das Online-Spendenformular auf kleiderstiftung.de oder direkt über das Spendenkonto bei der Evangelischen Bank, IBAN: DE49 5206 0410 0006 4148 00.
Gedenkveranstaltungen in allen drei Städten des Landkreises Helmstedt
Zum ersten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am Freitag, 24. Februar 2023, finden in allen drei Städten des Landkreises Helmstedt Gedenkveranstaltungen statt.
Johann Voß singt das Lied vom langen Tisch
Den Auftakt macht der Lyriker Johann Voß um 12 Uhr auf dem Helmstedter Marktplatz.Er wird das Lied vom langen Tisch singen und auf einem großen Plakat auslegen. Außerdem wird er kleine Faltbücher mit Gedichten und dem gelb-blauen Friedenssymbol verteilen. „Wenigstens dies“, sind seine Gedanken dabei. Voß berichtet außerdem: „Nach dem 24. Februar habe ich immer wieder auf die Karte bei Dnjeprpetrowsk geschaut. Dort, wo meine Existenz ihren eigentlichen Ursprung hat, könnte das Lager vielleicht immer noch existieren. Würden russische Soldaten dort vielleicht jetzt ukrainische Soldaten töten oder gefangen nehmen? Alles scheint sich zu wiederholen, der Irrsinn dreht die Zeit zurück. Ich fühle: Wenn dort getötet wird, werde irgendwie auch ich getötet.“ Er verrät auch, dass ihm aus dieser schwindeligen Bewusstlosigkeit heraus das Schreiben manchmal Halt gebe. So ist das Lied vom langen Tisch auch entstanden. „Wir alle haben den unfassbar langen Tisch gesehen, an dem der russische Machthaber seine Gäste empfing, Präsidenten, Präsidentinnen, Gesandte aus vielen Ländern. Ein solcher Tisch eint nicht, an ihm will sich niemand verständigen; er demonstriert statt dessen Abstand und das verhängnisvolle Alleinstellungsmerkmal eines Irren, der kaltblütig über Leichen geht“, so Voß.
Im Klönsnack wird gesprochen, auf dem Marktplatz gebetet
Der Verein Flüchtlingshilfe Schöningen lädt in des um 15.30 Uhr zu einem gemeinsamen Gedankenaustausch im Ladencafé „Klönsnack“, Salzstraße 31 in Schöningen, ein. Matthias Wesche wird anbei ein paar Friedenslieder singen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die Stadt Schöningen indes möchte „Ein Zeichen für den Frieden“ setzen und lädt gemeinsam mit den Schöninger Kirchen zum Friedensgebet mit Andacht und musikalischen Beiträgen ein . Um 17 Uhr soll auf dem Marktplatz nicht nur ein Zeichen für den Frieden gesetzt werden, sondern auch der Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei gedacht werden. Es wird darum gebeten, eine Kerze mitzubringen.
Der Kirchengemeindeverband hofft auf ein baldiges Kriegsende
Um der Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende Ausdruck zu verleihen, veranstaltet der evangelisch-lutherische Kirchengemeindeverband Königslutterum 18 Uhr eine ökumenische Andacht in der Stiftskirche Königslutter (Kaiserdom) unter dem Motto „#Hoffnung wächst“ mit Pröpstin Martina Helmer-Pham Xuan und Pfarrerin Ann-Kathrin Rieken. Dabei werden Friedenslieder gemeinsam gesungen und von verschiedenen Mitwirkenden, darunter die Kirchenband „Praisentation“, vorgetragen. Konfirmanden werden kurze Gedichte lesen. An dieser Andacht werden auch Menschen aus der Ukraine teilnehmen, die Lieder und Texte in ukrainischer Sprache vortragen.
Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.