Esbeck. Was tun, wenn einem nach über 40 Jahren schwerer Arbeit der Körper signalisiert, dass er nicht mehr in diesem Pensum weitermachen kann? In den Ruhestand gehen? Das zumindest hätte Dieter Michaelis, selbstständiger Maurermeister aus Esbeck, sicherlich verdient. Doch der 61-Jähriger entschied sich für eine neue berufliche Herausforderung und unterrichtet – nach einigen Stolpersteinen – nun erfolgreich und zufrieden an der Oskar Kämmer Schule als Lehrer. Eine Erfolgsgeschichte aus dem Landkreis:
Das Leben, speziell das Arbeitsleben, geht manchmal unerwartete Wege. Das macht das Beispiel von Dieter Michaelis deutlich. Der 61-jährige Esbecker war über 30 Jahre als Maurermeister in der Region selbstständig. Er arbeitete körperlich schwer und viel, was an seinem Rücken nicht spurlos vorbeiging. Im August vergangenen Jahres fasste er letztlich aus gesundheitlichen Gründen den Entschluss, dass damit jetzt Schluss sein muss. Die berufliche Zukunft schien für ihn ungewiss.
Michaelis: „Von der selbstständigkeit hinein in Hartz IV! Das war ein schwerer Schritt für mich“
„Es ging einfach nicht mehr. Die körperlichen Einschränkungen wurden zu groß. Da ich als Selbstständiger nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, auch nicht freiwillig, führte mich mein Weg direkt ins Jobcenter. Von der Selbständigkeit in Hartz IV, das war schon ein schwerer Schritt für mich. Ich machte mir Gedanken, was man als 61–jähriger Handwerker, der körperlich nicht mehr so kann wie er will, wohl machen könnte,“ erinnert sich Dieter Michalis.
Torsten Meyer, Arbeitsvermittler im gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit und des Jobcenters, suchte zu diesem Zeitpunkt eine Lehrkraft für die Oskar Kämmer Schule. Gesucht wurde ein Dozent, der in einer Qualifizierung des Jobcenters, die den Erwerb des Führerscheins beinhaltet, jungen Menschen handwerkliche Fertigkeiten und Grundkenntnisse vermittelt.
Torsten Meyer erinnert sich: „Eine geeignete Lehrkraft unter den bei uns gemeldeten Menschen zu finden, fiel schwer.
Daher suchte ich nach Handwerkern mit viel Erfahrung und fand Herrn Michaelis. Die Berufserfahrung brachte er auf jeden Fall mit, sowohl fachlich als auch, als selbständiger Arbeitgeber, im Umgang mit Menschen. Ebenso hatte er als Meister die Ausbildungseignung. Aber auch weitere Voraussetzungen mussten erfüllt sein, unter anderem eine gewisse Vorerfahrung in der Erwachsenenbildung. Also rief ich ihn an.“
Wie sich herausstellte, erfüllte Michaelis diese Voraussetzungen, da er vor über 35 Jahren bereits in der Erwachsenenbildung unterrichtete.
Dieter Michaelis hatte sofort Interesse und meldete sich bei Simone Kallmeyer, Standortleiterin der Oskar Kämmer Schule in Helmstedt: „Ich habe Dieter Michaelis zu uns eingeladen. Es hat gepasst. Leider hatte er keinen schriftlichen Nachweis über seine Erfahrungen in der Erwachsenenbildung vor seiner Selbständigkeit. Dieter Meyer hat daraufhin versucht mit den damaligen Arbeitgebern in Kontakt zu treten, was gar nicht so einfach war. Die Recherche hat ergeben, dass die Firma in einen anderen Betrieb umgewandelt wurde. Erfreulicherweise hatte Dieter Michalis noch Gehaltsabrechnungen aus dieser Zeit. Nach einigem Hin und Her gelang den damaligen Chef persönlich zu erreichen. Über mehrere Umwege wurden ihm letztlich die alten Tätigkeiten bescheinigt.“
Dieter Michaelis absolvierte zuerst ein Praktikum, um die Tätigkeit kennenzulernen. Das bedeutete, dass er in seiner zukünftigen Klasse als stiller Zuhörer saß und beobachtete. Nach ein paar Tagen, wurde ihm klar, dass es das richtige für ihn ist und er unterschrieb seinen Arbeitsvertrag.
Kompetenzen, Erfahrung und Wissen weitergeben: „Das ist ein gutes Gefühl!“
„Ich bringe jetzt Menschen von Mitte zwanzig bis Mitte fünfzig, handwerkliche Fähigkeiten und Grundkenntnisse bei. Wir arbeiten nach einem Konzept entweder in den Klassenräumen oder in der Werkstatt, manchmal aber ist auch ein wenig Freiraum da. Neulich zum Beispiel habe ich diesen genutzt, um eine Baustellenbesichtigung mit meiner Klasse vorzunehmen. So konnte ich, in Rücksprache mit der dortigen Bauleitung, meinen Schülern viele Gewerke vor Ort zeigen und nahebringen. Das war sehr interessant für die Teilnehmer. Meine neue Aufgabe bereitet mir viel Freude. Natürlich vermisse ich es auch draußen zu arbeiten und unterwegs zu sein. Aber die Tätigkeit als Dozent, macht mir Spaß, da ich ein Teil meines Wissens nun weitergeben kann. Das ist ein gutes Gefühl!“
Simone Kallmeyer resümiert: „Wir arbeiten sehr gern mit Dieter Michaelis zusammen. Er ist, fachlich wie auch menschlich, ein Gewinn für unsere Teilnehmer. In unserer hauseigenen Werkstatt lernen sie unheimlich viel von ihm, von den verschiedenen Maltechniken, über das Mauern bis hin zum Erschaffen von eigenen Kunstwerken. Mit diesen Fertigkeiten, einem anschließenden Praktikum und dem Erwerb des Führerscheins hoffen wir, viele von ihnen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren zu können. Wir sind froh, Dieter Michalis bei uns zu haben. Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass man nie zu alt ist, um sich beruflich neuen Herausforderungen zu stellen.“
Katharina Loof, geboren 1980 in Nordrhein-Westfalen, begann ihre journalistische Tätigkeit im Kölner Raum, bevor sie 2010 nach Schöningen zog. Die dreifache Mutter mag Dorf-Klüngel und Pflastersteine auf vollen Marktplätzen. Am Lokaljournalismus schätzt die Esbeckerin die Nähe zum Menschen. Die Karnevalistin tritt gerne mal zu stark auf’s Gas: sowohl im Fahrzeug als auch bei der Freigabe der Autokorrektur.