Schöningen. Im November wird in Schöningen ein neuer Bürgermeister gewählt. Zwei der bisher feststehenden Kandidaten für die Bürgermeisterwahl, Malte Schneider und Markus Sobotta, haben sich dem Interview des HELMSTEDTER SONNTAG gestellt.

Bis zum 23. September ist noch eine ganze Weile Zeit. Bis zu diesem Datum müssen nämlich alle Kandidaten, die sich in Schöningen um das Amt des Bürgermeisters bewerben wollen, alle notwendigen Unterlagen eingereicht haben. Zwei der Bewerber stehen allerdings schon jetzt fest. Während Markus Sobotta (56) bereits vor Wochen von der CDU die Unterstützung zugesagt bekam, fiel das Votum der SPD-Mitglieder in Schöningen am vergangenen Sonnabend auf Malte Schneider (35). Der HELMSTEDTER SONNTAG hat beide Kandidaten zum Interview gebeten, um sich vorzustellen, um den Bürgern der Stadt einen ersten Überblick zu geben, wer ein potenzieller Amtsnachfolger für Henry Bäsecke werden könnte. Beide treten parteilos an, wenngleich sie von CDU (Markus Sobotta) beziehungsweise SPD (Malte Schneider) unterstützt werden.

Erzählen Sie unseren Lesern etwas zu Ihrer Person. Wie alt sind sie? Wie ist ihr Familienstand? Wie ist ihr beruflicher Werdegang?

Malte Schneider: „Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern. Ich bin seit 7 Jahren als Rechtsanwalt tätig. Nach meinem Abitur und der Wehrdienstzeit habe ich mein 1. Staatsexamen in Greifswald, dass 2. Staatsexamen habe ich dann in Braunschweig erfolgreich abgelegt. Anschließend folgte im Jahr 2012 meine Zulassung zum Rechtsanwalt.“

Markus Sobotta: Ich bin im Oktober 1962 in Darmstadt in Hessen geboren, somit 56 Jahre alt und verheirateter Vater zweier erwachsener Kinder. Mein Werdegang hat mich über die Grundschule, Hauptschule und Gymnasium zum Abitur geführt. Nach dem Abitur habe ich bei der Bundeswehr als Reserveoffizier gedient und bin Hauptmann der Reserve. In Bayern habe ich Jura studiert, das zweite Staatsexamen mit Prädikat absolviert und seitdem als Rechtsanwalt gearbeitet, wobei ich nicht verschweigen möchte, dass ich auf Grund persönlicher Lebensumstände als Anwalt nur eingeschränkt gearbeitet habe. Die Familie stand hier im Vordergrund.

Fühlen Sie selbst sich in Schöningen (gemeint ist das gesamte Stadtgebiet inklusive seiner Ortsteile) wohl und würden Sie den Ort wieder zur Heimat erwählen?

Malte Schneider: Ja, absolut. Ich bin Schöninger mit Leib und Seele. Meine Familie und ich haben uns vor einigen Jahren bewusst für Schöningen entschieden und ein Haus gekauft. Wir haben unsere Entscheidung nicht bereut und fühlen uns sehr wohl hier. Hier können wir ausgedehnte Spaziergänge im Elm und Feldmark mit unserem Hund genießen.

Markus Sobotta: Ja, wir fühlen uns in Schöningen wohl, sonst wären wir ja auch nicht mehr hier. Da wir aus beruflichen Gründen nach Schöningen gezogen sind, haben wir uns damals sehr bewusst für Schöningen entschieden und es bisher auch nicht bereut, obwohl die Stadt sich in den letzten Jahren doch erheblich verändert hat und unsere Kinder Schöningen aus beruflichen Gründen verlassen mussten.
Ihre Frage, ob man sich einen Ort als Heimat erwählen kann, möchte ich bezweifeln, denn es impliziert, dass man seine Heimat aufgeben und beliebig wechseln kann, was ich so nicht akzeptieren könnte. Zumindest sollte man ernsthaft darüber nachdenken. Den was ist Heimat? Hier empfindet doch jeder etwas anderes und sehr Persönliches. Der Begriff der Heimat hat sicherlich eine emotionale und geographische Komponente. So kann ich sagen, dass Deutschland mein Heimatland ist. Gleiches gilt für unser schönes Bundesland Niedersachsen, weil meine Kindeserinnerungen hier beginnen. Da ich bis zu meinem 23 Lebensjahr in Wolfenbüttel mit meinen Eltern gelebt habe, dort zur Schule gegangen bin, viele Freunde habe, mich dort das erste Mal verliebt habe und auch für mein weiteres Leben geprägt wurde, möchte ich Wolfenbüttel als Heimat für mich nicht aufgeben. Diese emotionalen Bindungen an einen Ort kann man auch nicht aufgeben.
Aber der römische Tragödiendichter Pacuvius hat einmal gesagt, „Wo es dir gut geht, dort ist Heimat“. Im Sinne dieser Aussage, würde ich Schöningen sicherlich auch als meine Heimat empfinden, auch deshalb, da ich hier in den letzten 18 Jahren viele schöne Lebenserinnerungen sammeln konnte, die mich auch weiter geformt haben.

Was treibt Sie an, die Geschicke der Stadt Schöningen in Ihre Hand nehmen zu wollen?

Malte Schneider: In der Vergangenheit waren manche politische Entscheidung für mich nicht vollständig überzeugend. Ich hätte mich darauf beschränken können, diese Entscheidungen im Nachhinein zu kritisieren. Sinnvoller finde ich es jedoch, selbst an politischen Entscheidungen mitzuwirken und so aktiv an der Zukunft unserer Stadt mitzuarbeiten.

Markus Sobotta: Wie ich bereits eben erwähnt habe, leben wir seit 18 Jahren in dieser Stadt. Damit sind wir ein Teil dieses Gemeinwesens und sind mit diesem emotional und wirtschaftlich verbunden. Wenn man sich so versteht, ist es nicht nur eine Verpflichtung, sondern liegt es auch im eigenen Interesse sich für das Allgemeinwohl einzusetzen. So bin ich Mitglied diverser Vereine, engagiere mich mit meiner Familie in der kath. Gemeinde von Schöningen und bin seit Jahren politisch in der Stadt Schöningen tätig.
Wohl auch deshalb ist man an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich mir zutrauen würde als Bürgermeister der Stadt Schöningen zu kandidieren. Nachdem meine Familie mir ihre Unterstützung zugesagt hat, habe ich diese ehrenvolle Aufgabe auch gern übernommen.
Sicherlich ist die Hand des Bürgermeisters eine wichtige. Aber sie ist in einem demokratischen Gemeinwesen nicht die alleinige. Schöningen befindet sich in einer schwierigen Situation. Hier ist es trotz aller politischen Differenzen notwendig auf Grundlage eines möglich breiten Konsenses zu handeln. Viele, viele Hände und Ideen sind notwendig, um Schöningen erfolgreich weiter zu entwickeln. Leider wollen manche dies nicht verstehen und bieten einfache populistische Antworten an. So kann man dringend benötigtes Geld nicht einfach bei der Landesregierung in Hannover abholen, nur weil das gut und einfach klingt. Auch haben viele Menschen bereits seit Jahren die Ärmel hochgekrempelt und setzen sich in unterschiedlichen Funktionen für die Stadt ein.

Welche Stärken und Schwächen hat Schöningen?

Malte Schneider: Zu den Stärken zählt unter anderem die räumliche (im Bereich zwischen Magdeburg und Braunschweig) und landschaftliche (Elm und Harz) Lage. Auch bei den günstigen Lebenshaltungskosten durch preiswerten Wohnraum sowie gute Infrastruktur (Kinderbetreuung, Schulen, Einkaufssituation etc.) kann Schöningen punkten. Als Schwäche kann man die derzeitge wirtschafliche Lage anführen.

Markus Sobotta: Schöningen unterscheidet sich nicht grundlegend von anderen Gemeinden und Städten, die einen Strukturwandel vollziehen müssen. Wir alle müssen unseren Blickwinkel verändern. Die Zeiten nach dem verlorenen und schrecklichen Krieg waren von Aufbau und einem ständigen allgemeinen und persönlichen Aufschwung gekennzeichnet. Seit geraumer Zeit stagniert die Entwicklung und wird gerade auch als rückläufig verstanden und empfunden.
Die durch den Strukturwandel bedingten Herausforderungen müssen als große Chance verstanden und genutzt werden, die Zukunft unserer Stadt gemeinsam neu gestalten zu können. Da andere Regionen diese Entwicklungen noch vor sich haben, könnte es gelingen der Zeit doch mal wieder voraus zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass wenn wir alle anpacken, wir die Talsohle gemeinsam erfolgreich durchschreiten können.

Sie sind Quereinsteiger im Bezug auf die Leitung einer doch recht großen Verwaltung, wie die der Stadt Schöningen. Was qualifiziert Sie dazu?

Malte Schneider: Ich denke, eine Verwaltung ist mit einem großen Schiff vergleichbar. Bei einem Schiff gibt es neben dem Kapitän eine Vielzahl von Spezialisten. Diese Spezialisten halten das Schiff am Laufen wohingegen der Kapitän den Kurs vorgibt. Während ein Kapitän ein nautisches Studium absolviert hat, gibt es jedoch kein „Bürgermeister-Studium“. Ich bin jedoch der Auffassung, dass ich mit dem juristischen Sachverstand das entsprechende Handwerkszeug mitbringe, um die Verwaltung zu leiten.

Markus Sobotta: Als Quereinsteiger im Bezug auf die Leitung einer doch recht großen Verwaltung sehe ich mich nicht. Seit Jahren bin ich Mitglied des Schöninger Stadtrates, war Vorsitzender des Ausschusses für Technik und Umwelt und bin und war Mitglied weiterer Fachausschüsse des Rates. Hier im Besonderen des Haushaltsausschusses, der in dieser Wahlperiode wieder neu geschaffen worden ist. Daneben bin ich zweiter stellvertretender Bürgermeister und habe von Siegfried Pause, den ich persönlich sehr schätze, das Amt des Ratsvorsitzenden übernommen. Mich hat gefreut, dass ich in diese Funktion einstimmig von allen Ratsmitgliedern gewählt worden bin. Als Ratsmitglied bin ich bereits ein Teil der Verwaltung habe in den letzten Jahren viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Schöningen kennengelernt, die in einer schweren Zeit und unter schwierigen Bedingungen ihren Dienst für die Stadt und Bürger leisten. Die unzureichende Finanzausstattung der Stadt ist hier deutlich spürbar. Hier hat sich in den letzten Monaten bereits in der Politik ein Konsens gebildet, dass ein Handlungsbedarf besteht. Über den Weg, wie dies zu erreichen ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Im Falle meiner Wahl würde ich also in ein mir bekanntes Haus kommen.
Ich bin qualifiziert ein Amt zu leiten, da ich mit meinem juristischen Examen zugleich die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst erworben habe. Für solche Aufgaben bin ich im Studium und Referendariat umfangreich ausgebildet worden. Die Verwaltungsausbildung im Freistaat Bayern war sehr umfassend. Als Bundeswehroffizier war ich zuletzt als Kompaniechef für etwa 100 Soldaten verantwortlich und deren unmittelbarer Vorgesetzter. Hierbei habe ich gelernt, dass es nicht ausreicht, sich auf seine Dienststellung zu berufen, um Menschen auch in extremen Situationen erfolgreich führen zu können. Eigene Qualifikation und Verlässlichkeit sind unabdingbar, um Vertrauen und Gefolgschaft zu erwerben. Nur so erreicht man motivierte Mitarbeiter/innen, die eigenverantwortlich arbeiten.
Gegenüber Dritten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erfolgreich und energisch zu vertreten ist tägliches Geschäft eines Anwaltes. Wobei einem bewusst sein sollte, dass es bei dem Umgang mit Menschen nicht in erster Linie um rechtliche Auseinandersetzungen geht.

Sehen Sie aus Ihrer bisherigen (politischen/beruflichen/persönlichen) Erfahrung Potenziale für dieses Amt welche die Stadt in direkter Weise positiv beeinflussen könnten?

Malte Schneider: Ich bin davon überzeugt, dass ich meine juristische Erfahrung sinnvoll einbringen kann. In der Vergangenheit gab es beispielsweise Schwierigkeiten in baurechtlichen (Schäden an der Schwimmbadtechnik) oder auch vertragsrechtlichen (Abschluss von Pachtverträgen) Fragen. Dort kann ich meine Erfahrungen aus meiner anwaltlichen Beraterpraxis gewinnbringend nutzen. Auch mit arbeits-und personalrechtlichen Fragen bin ich vertraut und gerichtserfahren.

Markus Sobotta: Auf Grund Ihrer Frage erinnere ich mich an meine politischen Anfänge. Ich glaube das Erste was man in der Politik lernen muss, wenn man eigene Ideen durchsetzen will, das andere diese Ideen nicht unbedingt auch für „super“ halten.
Dies kann unterschiedliche Ursachen haben. Es kann sein, dass andere die Idee ablehnen, weil sie diese nicht verstehen, nicht verstehen wollen, andere Interessen haben, die Idee oder den Ideengeber aus persönlichen oder politischen Gründen ablehnen. Vielleicht ist die Idee auch nicht so „super“ wie man zunächst selbst glaubt. Diese Liste könnte man sicherlich beliebig forstsetzen.
Also muss man Menschen finden, mit denen man zusammen eine Mehrheit bildet, um seine Ideen auch realisieren zu können. Dies ist ein schwieriger Prozess und ist vielleicht auch der Preis, den man für eine demokratische Gesellschaft zahlen muss. Aber dieser Umgang mit andersdenkenden Menschen macht ja grade auch den besonderen Reiz der Politik aus. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, dass es sich lohnt allen zuzuhören, den Versuch zu machen ihre Beweggründe zu verstehen und anzunehmen, dass andere Menschen auf anderen Wegen das gleiche Ziel wie man selbst erreichen wollen. Ein höflicher und respektvoller Umgang miteinander erleichtert das Gespräch und die gemeinsame Willensbildung. Man sollte bei seiner politischen Arbeit nicht aus dem Auge verlieren, dass es nicht um den Erfolg einer Person oder Partei geht, sondern das Wohl der Bürgerinnen und Bürger der einzuhaltende Maßstab ist, um den es letztendlich geht. Den persönlichen oder parteilichen Erfolg mit diesem Maßstab gleichzusetzen wird nicht dem Wohl aller, sondern nur einigen dienen.
Als Bürgermeister werde ich dafür sorgen, dass die Regeln für alle gleich gelten und von allen eingehalten werden. Die Verwaltung wird dem Allgemeinwohl verpflichtet sein.

Wie kann dem demographischen Wandel in der Stadt begegnet werden?

Malte Schneider: Die Stadt muss lebenswert für junge Familien sein. Das gelingt über günstige Lebenshaltungskosten, verlässliche Kinderbetreuungsangebote sowie Arbeitsplätze.

Markus Sobotta: Um dem demographischen Wandel in der Stadt Schöningen zu begegnen, gibt es sicherlich eine einfache und ständig gern erprobte menschliche Methode, auf die man als Bürgermeister aber nur sehr eingeschränkten Zugriff hat und kaum gesetzlich beeinflussen kann.
Deshalb ist die Stadt Schöningen auf einen umfangreichen Zuzug angewiesen, wenn man einen weiteren Bevölkerungsrückgang vermeiden will.
Hier muss es gelingen den Leerstand unter Ausnutzung des in Schöningen unterbewerteten Immobilienmarktes als attraktive Wohngebiete auszuweisen und zu gestalten, damit wieder Familien zu erschwinglichen Preisen attraktive Immobilien in Schöningen mieten und erwerben können.
Um dies Ziel zu erreichen muss die Frage der Stadtentwicklung zu einem zentralen Thema werden. Die Bundesregierung hat umfangreiche Mittel für die Neugestaltung des Helmstedter Reviers zugesagt. Derzeit konzentriert sich die Diskussion auf die bereits bestehenden Gewerbeflächen um Buschhaus. Diese Blickrichtung ist jedoch zu eng gefasst. Im Besonderen die Stadt Helmstedt und die Stadt Schöningen sind schon seit Jahren von dem Rückgang des Bergbaus betroffen. Der umfangreiche Stellenabbau seit Jahren ist doch die Ursache für den erheblichen Bevölkerungsverlust, den erheblichen Leerstand und letztendlich für den demographischen Wandel in unserer Stadt. Schöningen hat für den Betrieb des Tagesbaus einen hohen Preis gezahlt. Aber eine Diskussion, welche Mittel unmittelbar in die Stadt Schöningen und für welche Projekte fließen, habe ich noch nicht festgestellt. Ein Strukturwandel in den betroffenen Städten muss auch durch Bundesmittel gefördert werden. Hier ist an erster Stelle ein städtebaulich geordneter Rückbau von leerstehenden Immobilien zu finanzieren oder die Stadt wird in die Lage versetzt, entsprechende Immobilien anzukaufen, um so in der Stadt neue Baugebiete schaffen zu können. Die Kosten hierfür könnten wieder über den Verkaufspreis gedeckt werden. Hiermit verbunden ist die Neugestaltung der Infrastruktur. Viele Straßen in der Stadt Schöningen befinden sich in einem schlechten Zustand. Hier müssen Lösungen gefunden werden, um den Grundstückseigentümern auch die berechtigte Angst vor erheblichen Straßenausbaubeiträgen zu nehmen. Aber auch hier gibt es die gesetzliche Möglichkeit die Kosten gerechter auf alle Grundstückseigentümer zu verteilen. Hierbei ist mir durchaus bewusst, dass dies kein beliebtes Thema ist. Aber dringende Maßnahmen nicht zu diskutieren, weil man befürchtet, Stimmen zu verlieren, ist nicht meine Sache.
Zunehmend gewinnt die Frage nach einer ausreichenden ärztlichen Versorgung an Bedeutung. Dies wird derzeit für alle Bewohner spürbar. Leider hat man in der Vergangenheit sich für die Frage der zukünftigen ärztliche Versorgung zu sehr auf einen großen Anbieter konzentriert. Eine Struktur für junge niederlassungswillige Ärzte/innen ist deshalb nicht geschaffen worden. Bereits vor Jahren habe ich versucht neue Wege unter Berücksichtigung vorhandener Strukturen zu organisieren. Andere Kommunen bieten hier niederlassungswilligen Ärzten/innen bereits die Anmietung von ganzen Praxen oder eine Anstellung an. Ich sehe hier einen dringenden Handlungsbedarf.
Ebenso muss eine moderne Verkehrsanbindung an die Städte Braunschweig, Magdeburg und Wolfsburg geschaffen werden. Immerhin ist der Schöninger Bahnhof und die Bahnanbindung nach Helmstedt wegen des Tagebaus geschlossen worden. Auch eine möglich Stadtumfahrung ist erneut und nachhaltig zu diskutieren. Die Bewohner der Klosterfreiheit sind erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Auch dort wird zunehmend der Leerstand sichtbar. Immerhin handelt es sich bei vielen Menschen um den ersten Eindruck von der Stadt Schöningen.
Der Wahlkampfklassiker schnelles Internet kann nicht verschwiegen werden. Auch wenn es ein altes Problem ist, ändert dies nichts an der Wichtigkeit dieses Themas.
Das Ziel aller politisch Verantwortlichen und Bürger/innen muss hierbei sein, einen überdurchschnittlich attraktiven Wohnort zu schaffen. Dies kann man nur gemeinsam erreichen.

Steht für Sie im Bezug auf den Strukturwandel im ehemaligen Tagebaugebiet eher der Tourismus oder eher die industrielle Nachnutzung im Vordergrund?

Malte Schneider: Ich denke nicht, dass eine ausschließliche touristische Nachnutzung als alleiniges Standbein für unsere Region ausreichend ist. Auch bietet der Standort Buschhaus vielfältige Nachnutzungsmöglichkeiten durch die vorhandene Infrastruktur, wodurch auch Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen generiert werden können.

Markus Sobotta: Die in Ihrer Frage bereits zum Ausdruck kommende Trennung teile ich nicht, da beide möglichen Nachnutzungen letztendlich dem gleichen Ziel dienen. Ziel ist es eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen in der Region zu schaffen, damit die Menschen hier auch in Zukunft eine Lebensgrundlage finden können.
Ob dies durch eine touristische oder eine industrielle Nachnutzung erreicht werden kann, ist doch zunächst egal. Vielmehr ist doch die Frage zu stellen, wie sich die konkreten Vorhaben zueinander verhalten und welche Auswirkungen diese auf die bereits angesprochene und angestrebte Entwicklung der Stadt Schöningen haben.
Dies wird besonders deutlich an der derzeitigen Diskussion über die Ansiedlung eines Unternehmens in unserer Region, in welchem radioaktive Stoffe bearbeitet werden sollen. Auch wenn man alle gesetzlichen Vorschriften für dieses Unternehmen streng einhält, sind mit dem Betrieb eines solchen Unternehmens Emotionen verbunden, die letztendlich dazu führen, dass sich jemand entschließt nicht nach Schöningen zu ziehen oder die Stadt zu verlassen.
Ob sich ein solches Unternehmen in eine nachhaltige touristische Nachnutzung des Reviers und die neu Stadtentwicklung intrigieren lässt, möchte ich bezweifeln.
Jedoch ist festzuhalten, dass im Helmstedter Revier große Flächen zu Verfügung stehen, die eine industrielle Nutzung ermöglichen. Hierfür eine Nachnutzung durch große Industrieunternehmen zu ermöglichen übersteigt die Leistungsfähigkeit der Stadt Schöningen. Insoweit ist es gut, dass der Landkreis hier eine Zusammenarbeit der Kreisangehörigen Gemeinden organisiert. Wir sollten uns auf die Entwicklung des Stadtgebietes und des Schöninger Tagebaues konzentrieren und hierfür eigenständige Konzepte entwickeln. Das hierbei auch ökologische Fragestellungen einen wichtigen Faktor des Wohnwertes bilden, ist doch sicherlich eindeutig.

Wie stehen sie interkommunaler Zusammenarbeit mit den benachbarten Kommunen oder gar einer Fusion gegenüber?

Malte Schneider: Ich bin zunächst einmal Neuerungen gegenüber offen eingestellt. Es schadet nicht, nach gemeinsamen Schnittmengen zu schauen, um Synergieeffekte zu nutzen. So rechnet sich beispielsweise die Anschaffung einer teuren Maschine viel eher, wenn diese eine entsprechende Auslastung (durch die gemeinsame Nutzung in mehreren Gemeinden) aufweisen kann.

Markus Sobotta: Wie ich bereits erwähnt habe, ist die interkommunale Zusammenarbeit auf den Feldern angezeigt, in denen eine einzelne Kommune auf Grund ihrer Leistungsfähigkeit überfordert wäre, eine Aufgabe zu erfüllen oder ein Ziel zu erreichen, das mehrere Kommunen anstreben. Dies hat sich in der Vergangenheit auch oft bewährt.
Etwas kritischer sehe ich eine Fusion, die ich aber grundsätzlich nicht ablehne. Eine Fusion mehrerer Gebietskörperschaften bedeutet immer den Verlust der verantwortlichen Eigenständigkeit und der geschichtlich gewachsenen Identität. Gerade wenn eine arme Gemeinde mit einer scheinbar reichen Gemeinde fusionieren will, muss man den Bürgern zuvor eindeutig erklären, warum dies nun die beste und einzige Lösung von Problemen ist, da man ansonsten nur sein Unvermögen eingesteht die Probleme selbst lösen zu wollen.

Bei einem Blick über den Tellerrand: wie stehen Sie zu einer möglichen Neuformung der Gebietskörperschaften in der Region Braunschweig/Wolfsburg/Wolfenbüttel/Gifhorn/Helmstedt, also zum Beispiel der Bildung einer Großregion oder einer Fusion von einzelnen Gebietskörperschaften darinnen?

Malte Schneider: Auch hier ist das damalige Leuchtturmdenken überholt. Die ländlichen Räume stehen, aufgrund des demographischen Wandels, vor großen Herausforderungen. Aber es darf dabei keine Politik über die Köpfe der Bürger und Bürgerinnen hinweg gemacht werden. Die Akzeptanz der Bevölkerung für politische Entscheidung ist deutlich höher, wenn diese bei der Entscheidung involviert und „mitgenommen“ wird.

Markus Sobotta: Die kommunale Selbstverwaltung und die derzeitigen Verwaltungsstrukturen, wie wir sie kennen, mit Gemeinden, Kreisen und den Regionalbeauftragten sowie der Landesverwaltung sind im Kern ca. 200 Jahre alt und haben sich bewährt. Vor Jahren hat man die sogenannten Bezirksregierungen aufgelöst. Bereits nach einigen Jahren hat man dann wieder die Regionalbeauftragten an Stelle der alten Regierungsbezirke eingeführt. Dies hin und her verunsichert nur die Bevölkerung.
Auf Grund der technischen Entwicklung sind Räume scheinbar geschrumpft und deshalb entsteht der Eindruck, dass Verwaltungsstrukturen sich dem anpassen müssen. Ich habe auch den Verdacht, dass man angesichts der zunehmenden Komplexität nach einfachen schnellen Lösungen sucht.
Jede Zentralisierung bedeutet auch einen Verlust an anderen Stellen. Das Recht der Bürger/innen die Zukunft ihrer Gemeinde selbst zu gestalten ist durch die kommunale Selbstverwaltung in ihrem Kern verfassungsrechtlich geschützt. Mit der Einführung der kommunalen Selbstverwaltung vor 200 Jahren wollten die Reformer des Staates Preußen eine Einbindung und eine Identifizierung der Bürger mit dem Staat erreichen. Dies ist bis heute gelungen. Eine Entfremdung der Bürger/innen muss doch gerade in der heutigen Zeit vermieden werden.
Viel wichtiger ist doch die Diskussion, ob die Aufgabenverteilung und die damit verbundene Zuweisung von Finanzmitteln ausreichend ist. Viele Aufgaben der Stadt Schöningen müssen mit unzureichenden Finanzmitteln bewältigt werden. Hier liegt doch das wahre Problem der Kommunen. Hierüber muss gesprochen werden.
Gerade erleben wir auch eine bereits sehr emotional geführte Debatte über die Fusion des Landkreises mit der Stadt Wolfsburg. Bevor man eine solche Diskussion führt, sollte man doch zunächst die Bürger/innen und die Braut umfassend über seine Absichten aufklären und umfassend die Ziele formulieren. Vielleicht überzeugen die Argumente.

Stichtwort Schulpolitik in Schöningen: im Bereich KiTas bietet die Stadt zusammen mit weiteren Trägern eine große Bandbreite auch inhaltlich anders ausgerichteter frühkindlicher Bildung. Die aktuelle Entwicklung der Grundschule läuft dieser Diversität entgegen – es erfolgt eine Zentralisierung mit einem einheitlichen Konzept. Wie sieht für Sie die Schulpolitik in Schöningen für ihre Amtsperiode aus?

Malte Schneider: Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die beiden Dorfschulen in Esbeck und Hoiersdorf erhalten geblieben wären. Ich finde es wichtig, dass die Eltern entscheiden können, ob sie für ihre Kinder eine Halb- oder Ganztagsbetreuung wünschen. Dessen ungeachtet, ist es zwingend erforderlich, dafür zu sorgen, dass die Grundschule zukünftig eine hohe Qualität bei Personal und Ausstattung aufweist, damit die Kinder ein gutes Bildungsniveau erreichen, um die weiterführenden Schulen erfolgreich besuchen zu können.

Markus Sobotta: Bereits mehrfach habe ich deutlich gemacht, dass ich eine Identität der Bürger/innen mit ihrem Heimatort für wichtig halte. Ich habe mich in der Vergangenheit auch immer dafür eingesetzt, die Schulstandorte in Esbeck und Hoiersdorf und natürlich auch in Schöningen zu erhalten. Neben anderen Standortfaktoren ist das Angebot an reichhaltigen Schulangeboten für Familien ein wichtiger Faktor. Hierbei sind aber auch die pädagogischen Inhalte entscheidend.
Vielfalt statt Einfalt muss das Gebot sein. Das Schulangebot muss auch die Vielfältigkeit der Kinder und der Lebensplanungen der Eltern wiederspiegeln. Mehrerer Schulstandorte ermöglichen gerade auch eine Vielzahl unterschiedlicher pädagogischer Konzepte. Gerade die einheitliche Ausrichtung der Schullandschaft hat dazu geführt, dass sich Eltern zusammenfinden und versuchen in Esbeck eine private Grundschule zu gründen, da das staatliche Schulangebot als unzureichend empfunden wird. Hierbei handelt es sich um einen Trend, den sie bundesweit beobachten können. Hier bildet sich zunehmend im Bildungswesen eine Zweiklassengesellschaft. Dies läuft dem Sinn der Volksschule entgegen.
Die alleinige Antwort hierauf kann nicht die Einrichtung einer verpflichtenden Ganztagsschule für alle sein.
Zu diesem Themenbereich gehört es aber auch die Schulgebäude der Stadt Schöningen in einem modernen und kindgerechten Zustand zu erhalten oder herzurichten.
Nehmen sie zum Beispiel das gelbe Schulgebäude in Schöningen. In anderen Gemeinden wird ein Schulgebäude erst gekauft, dann saniert und dann den Kindern übergeben. In Schöningen saniert man städtische Schulgebäude nicht, übergibt ein anderes sanierungsbedürftiges Gebäude den Kindern, saniert es während des Schulbetriebes und versucht es dann zu kaufen, um Eigentümer zu werden.
So etwas wird es mit mir als Bürgermeister zukünftig nicht mehr geben.
Besonders interessant wird es dann, wenn die Verantwortlichen anderen vorwerfen gegen das Kindeswohl zu verstoßen, wenn sie nicht der kostenträchtigen Sanierung einer Toilette zustimmen, weil die Eigentumsfrage am Gebäude nicht geklärt ist. Das Gebäude hätte doch gerade nicht an Kinder übergeben werden dürfen, wenn es nicht vollständig saniert ist.

Wenn Sie sich ein Thema wünschen könnten, das Ihren Wahlkampf bestimmt, welches wäre dies?

Malte Schneider: Wirtschaftlicher Aufschwung und wie er gelingen kann.

Markus Sobotta: Zu erreichen, dass die Bürger und Bürgerinnen optimistisch die Zukunft unserer Stadt sehen und motiviert daran mitarbeiten wollen.

Wie würde für Sie eine treffende Beschreibung Schöningens in (maximal) sechs Worten aussehen?

Malte Schneider: L(i)ebenswert am Elm

Markus Sobotta: Schöningen ist das Aschenputtel der Region

Und wie würde eine dem gleichen Schema folgende Werbung für die Stadt lauten?

Malte Schneider: Schöningen – L(i)ebenswert am Elm

Markus Sobotta: Eine von den Lebensumständen gebeutelte Stadt arbeitet sich hartnäckig und fleißig wieder aus der Asche heraus.

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Nico Jäkel, geboren 1981 in Helmstedt, ist ausgebildeter Redakteur, selbstständiger Fotograf und ein leidenschaftlicher Hobbykoch mit einer gigantischen Sammlung an Kochbüchern. Seine Markenzeichen sind verschachtelte Sätze. Zusätzlich zu seinem Faible für Produkttestungen, engagiert sich der Lokalpatriot in seiner Heimatstadt Schöningen.