Helmstedt. Der Landkreis Helmstedt hatte am vergangenen Wochenende „die Faxen dicke“: Die Inzidenzwerte (die Zahl der Corona-Infizierten pro Einwohnerzahl von 100.000) variierten an den verschiedenen Quellen so stark, dass die Kreisverwaltung eine verschärfte Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus herausgegeben hat.

Da die Inzidenzwertschwelle von 50 im Landkreis Helmstedt bereits Ende der vergangenen Woche überschritten wurde und es wiederholt Vorfälle in den hiesigen Schulen gegeben hat, hatte der Landkreis per Allgemeinverfügung zunächst eine Maskenpflicht auch während des Unterrichts in den weiterführenden Schulen und den Berufsbildenden Schulen erlassen.

Zuletzt waren immer wieder Schulen im Landkreis von Infektionen und Quarantänemaßnahmen betroffen: die IGS und die Lademann-Realschule in Helmstedt, das Gymnasium Anna-Sophianeum und Eichendorffschule in Schöningen etwa, aber auch Grundschulen.

„Die Vorfälle an Schulen ziehen in der Regel eine erhebliche Zahl an Kontaktpersonen nach sich, die wiederum aufwändig vom Kontakt-Nachverfolgungsteam begleitet werden müssen“, schreibt der Landkreis zur Anordnung der Maskenpflicht in den Schulen ab der fünften Klasse. „Dies ist derzeit kaum noch zu leisten. Daher ist die Maskenpflicht im Unterricht die aus infektiologischer Sicht einfachste und hilfreichste und daher erforderliche Maßnahme, um an dieser Stelle Infektionsketten zu brechen.“

„Die Kleinsten in den Grundschulen sind davon ausgenommen“, wird außerdem unterstrichen und abschließend heißt es dazu: „Einige weiterführende Schulen im Landkreis setzen bereits aus eigenem Antrieb heraus auf das Tragen von Alltagsmasken während des Unterrichts.“

Auch auf Supermarkt-Parkplätzen herrscht Maskenpflicht

Kurze Zeit später veröffentlichte der Landkreis Helmstedt die komplett überarbeitete Allgemeinverfügung. Weil am Sonnabend der (vom Kreis selbst errechnete) Inzidenzwert über 50 gelegen hatte, trat damit beispielsweise die Maskenpflicht in der Helmstedter Fußgängerzone (Markt, Neumärkte Straße, Gröpernplatz und Papenberg) in Kraft.

Masken müssen nun getragen werden auf dem Gelände aller Wochenmärkte und weiterer Märkte im Gebiet des Landkreises Helmstedt während der jeweiligen Marktöffnungszeiten. Das gilt auch für Passanten ohne Kaufabsichten, die das Marktgelände lediglich passieren. Auch auf Parkplätzen des Einzelhandels muss jede Person eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.

Ausgeweitet wurde in diesem Atemzug auch die Maskenpflicht für öffentliche Verkehrsmittel. So müssen nicht nur die Nutzer des ÖPNV bereits an den Haltestellen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, sondern auch Passanten, die lediglich am Bahnhof oder an der Bushaltestelle entlang gehen.

Bußgelder bis 25.000 Euro möglich

Der Landkreis gibt zudem bekannt, dass Polizeibeamte und sonstige Ordnungshüter angewiesen sind, die Maskenpflicht zu kontrollieren. Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder von bis zu 25.000 Euro.

Der Inzidenzwert von 50 war laut Landkreis bereits am 6. November überschritten

Abschließend liefert der Landkreis Helmstedt auch eine ausführliche Begründung für die verschärften Maßnahmen.

Darin heißt es wörtlich: „Ausweislich der Bekanntgabe des für die Gesundheit zuständigen Ministeriums auf der Internetseite https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen betrug am 30. Oktober 2020 die Zahl der Neuinfizierten in den letzten sieben Tagen davor kumulativ 35,1 Fälle je 100.000 Einwohner auf dem Gebiet des Landkreises Helmstedt (Sieben-Tage-Inzidenz). Am 28. Oktober 2020 lag die Inzidenz noch bei 16,4. Durch unterschiedliche Melde- und Aktualisierungszeitpunkte kann es zwischen den Zahlen des Landkreises, den in den Tagesmedien veröffentlichen Zahlen und denen des Landesgesundheitsamtes zu Differenzen kommen.

Entscheidend für das Auslösen von Maßnahmen sind nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung die offiziellen Zahlen des Landesgesundheitsamtes.

In den vergangenen Tagen schwankte die vom Landkreis ermittelte Sieben-Tage-Inzidenz stets knapp um die 50, die positiv getesteten Patientenzahlen steigen derzeit sprunghaft an. Bereits am 6. November 2020 hat der Landkreis Helmstedt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50,4 festgestellt. Aufgrund der enormen Diskrepanzen zwischen den von dem zuständigen Ministerium veröffentlichten und den tatsächlich vor Ort festgestellten Inzidenzen erscheint es aus Gründen des Infektionsschutzes nicht mehr vertretbar, die vom Ministerium veröffentlichten Inzidenzen als maßgeblich anzunehmen. Daher macht der Landkreis von der Möglichkeit des Paragrafen 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Gebrauch und weitet die Einschränkungen insoweit aus, dass die maßgeblichen Inzidenzwerte nunmehr die vom Landkreis selbst ermittelten sind.

Die Regelungen dieser Allgemeinverfügung beruhen auf der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 30. Oktober 2020.

Rechtsgrundlage für die getroffenen Maßnahmen ist Paragraf 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach Satz 1 hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach Satz 2 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in Paragraf 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen umgesetzt worden sind.

Seit Mitte Oktober 2020 steigt die Anzahl der positiv auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 getesteten Personen im Landkreis Helmstedt stark an und im Laufe der vergangenen sieben Tagen hat sich die Verbreitung des Infektionsgeschehens weiter rapide entwickelt. Dies ist im gesamten Kreisgebiet Helmstedts zu beobachten, wobei abgrenzende beziehungsweise räumlich lokale Schwerpunkte nicht erkennbar sind.

An den Schulen stellt sich die gegenwärtige infektiologische Situation als äußerst kritisch dar. Bei den Erkrankungszahlen ist eine signifikante Steigerung insbesondere im Unterrichtskontext festzustellen, daher ist eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ab der Jahrgangsstufe 5 unumgänglich. Das gilt auch für die Bushaltestellen und Bahnhöfe, sowie für den beschriebenen Bereich der Helmstedter Innenstadt. Die angeordneten Maßnahmen stellen im Moment das einzig probate Mittel dar, um die Übertragung des Virus im Schul- und Unterrichtskontext einzudämmen und so den Präsenzunterricht auch weiterhin zu gewährleisten.

Vor dem Hintergrund der sehr dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus und Erkrankungen an Covid-19 müssen unverzüglich weitere umfänglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen sind dazu dringend notwendig, um im Interesse der Bevölkerung und des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems in Niedersachsen sicherzustellen. Die großflächige Unterbrechung und Eindämmung eines Großteils der sozialen Kontakte stellt – über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus – das einzig wirksame Vorgehen dar, um das Ziel einer Entschleunigung und Unterbrechung der Infektionsketten zu erreichen.

Trotz der Vorgaben der Niedersächsischen Corona-Verordnung und des Vorliegens von Hygienekonzepten in öffentlich zugänglichen Einrichtungen mit Kunden- oder Besuchsverkehr sowie für Schulen konnte eine weitere Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 im Landkreis Helmstedt bisher nicht verhindert werden.

Bei uneingeschränkter Aufrechterhaltung der Kontaktmöglichkeiten und trotz Einhaltung der Vorgaben der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Hygienekonzepte, ist die Entwicklung des Infektionsgeschehens nach aktuellem Stand nicht zu verlangsamen beziehungsweise zu unterbrechen. Durch die Allgemeinverfügung des Landkreises werden Maßnahmen zur Entschleunigung der Verbreitung und Unterbrechung der Infektionsketten des Corona-Virus SARS-CoV-2 im Landkreis Helmstedt festgelegt. Die notwendigen und differenzierten Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in besonderen Bereichen der Gesellschaft dienen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des derzeit durch das Infektionsgeschehen hoch beanspruchten Gesundheitssystems über einen absehbar längeren Zeitraum hinaus.

Für die stationären Einrichtungen muss dringend der notwendige Spielraum geschaffen werden, um die erforderliche Leistungsfähigkeit für die zu erwartenden erhöhten Behandlungserfordernisse im Intensivbereich unter Isolierbedingungen für an Covid-19 Erkrankte zu sichern. Diese und weitere kontaktreduzierende Maßnahmen tragen in besonderer Weise zum Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen bei. Denn gegen das SARS-CoV-2 Virus steht derzeit keine Impfung bereit und es stehen keine gezielten, spezifischen Behandlungsmethoden zur Verfügung.

Daher stellen die kontaktreduzierenden Maßnahmen für die breite Bevölkerung das einzig wirksame Mittel zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung zentraler Infrastrukturen dar. Somit kommt den angeordneten Maßnahmen eine so erhebliche Bedeutung zu, dass auch weitgehende und tiefgreifende Einschränkungen dringend geboten und in dem jeweiligen Umfang verhältnismäßig und notwendig sind. Insbesondere sind aufgrund der von allen Gesundheitsbehörden auf internationaler (WHO, CDC, ECDC) und nationaler Ebene (BMG, RKI, MSGJFS) bestätigten Lage aus fachlicher Sicht keine weniger eingriffsintensiven Schutzmaßnahmen denkbar, die in vergleichbarer Weise geeignet und effektiv wären, um die angestrebte breite Schutzwirkung zu erreichen.

In der Fußgängerzone der Stadt Helmstedt, inklusive Papenberg, bei Wochenmärkten und anderen Märkten, auf den Parkplätzen des Einzelhandels halten sich Menschen auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend auf. Dadurch wird die Anzahl der Nahkontakte erhöht, was zur Steigerung des Infektionsrisikos beiträgt. Demnach soll an diesen Orten eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Dies gilt insbesondere auch für den Schulbetrieb während des Unterrichts. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ist die Weisung verhältnismäßig und gerechtfertigt, um der vorrangigen Gesundheitssicherung der Bevölkerung Rechnung zu tragen.“

Chefredakteurin at Helmstedter Sonntag | + posts

Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit über 25 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor über 23 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.