Der Frust bei Kathrin Wachs und Lutz Flemming ist hin und wieder groß. Besonders dann, wenn das Paar als echter Außenseiter gilt. 

Die Emmerstedter haben im April 2020 eine recht schwere Corona-Erkrankung überstanden. Zwar mussten sie nicht stationär im Krankenhaus behandelt werden, aber die Symptome waren „nicht ohne“. Und auch nach dem Abklingen hatten die beiden lange mit Auswirkungen wie beispielsweise Atemnot und Schlappheit zu kämpfen. 

Das Problem, das die beiden jetzt haben: Da sie im April vergangenen Jahres erkrankt waren, galten sie nur bis zum Oktober 2020 als „Genesene“, wie sie in den Corona-Verordnungen verwendet werden und in der immer mehr angewendeten „2G-Regel“ entscheidend sind. 

Ist der Pieks notwendig?

Nun sind Kathrin Wachs und Lutz Flemming keine Impfgegner, sie wollten einfach mal wissen, ob und wie viele Antikörper gegen das Coronavirus sie noch in sich tragen, bevor sie sich einen „unnötigen“ Pieks holen. 

Beim Antikörpertest, den jeder gegen eine relativ geringe Gebühr bei seinem Hausarzt machen lassen kann, kam Überraschendes ans Licht. Fast anderthalb Jahre nach ihrer Erkrankung verfügen beide über eine enorme Anzahl an Antikörpern. Eine dreistellige Zahl, die sogar das Labor und die Ärzte zum Staunen brachte. 

In der Regel weisen Corona-Genesene eine Antikörperzahl zwischen eins und maximal zehn auf, bei den beiden Emmerstedtern sind es über 200. 

„Wenn ich jetzt noch so viele Antikörper habe, dann brauche ich mich doch nicht impfen zu lassen“, ist die Meinung, die Kathrin Wachs nachvollziehbar vertritt. Ebenso wie ihr Arzt ist sie sich schlichtweg auch unsicher, wie eine Impfung auf eine so hohe Zahl an Antikörpern reagiert und ob ihr das nicht womöglich sogar schaden würde. 

Weder geimpft noch genesen – aber womöglich immunisiert?

Damit stehen die beiden allerdings nun vor einer Misere, gelten sie doch weder als geimpft noch als genesen – und letztgenanntes, obwohl sie ihre Antikörper-Testergebnisse immer mit sich führen. 

In den Corona-Verordnungen, die die Politik erlässt, existieren solche „Sonderfälle“ einfach nicht. Entweder der Bürger ist geimpft oder von der Erkrankung seit weniger als einem halben Jahr genesen. Wenn bei Veranstaltungen oder in Gaststätten nun die „2G-Regel“ angewendet wird, sind sie außen vor.

Und auch bei der noch relativ weit verbreiteten „3G-Regel“, bei der als dritte Option ein aktueller negativer Test verlangt wird, gibt es demnächst Probleme. Ab dem 11. Oktober gibt es keine kostenlosen Bürgertests mehr, weshalb viele Teststationen verschwinden werden und die Schnelltests bezahlt werden müssen. 

Kathrin Wachs und Lutz Flemming fühlen sich unberechtigt unter Druck gesetzt. Und das letztlich nur, weil sie offenbar ein solcher Sonderfall sind, der von noch niemandem bedacht oder untersucht wurde. 

Es gibt keine Grenzwerte

Das Problem ist auch, dass es keine Grenzwerte bei den Antikörper-Tests gibt. Automatisch bildet der Körper nach einer durchgemachten Infektion mit dem Coronavirus (ebenso wie nach einer Impfung) Antikörper gegen das so genannte Spike-Protein. Wie viele Antikörper nötig sind, um gegen Spike-Proteine immun zu sein, das weiß (noch) niemand. 

In einem Gespräch mit dem Immunologen vom Leibniz-Institut der TU Dortmund, Carsten Watzl, berichtet die Deutsche Welle genau dies (www.dw.com). „Wir wissen noch nicht genau, was wir messen müssen, damit wir wirklich feststellen können, ob jemand immun ist oder nicht“, wird Watzl zitiert und im weiteren Verlauf heißt es: „Aber wie hoch die Anzahl dieser Antikörper sein muss, ist eben noch unklar.“ 

Fest steht für Kathrin Wachs und Lutz Flemming, dass durch die medizinischen Unsicherheiten ein Impfzwang auf sie ausgeübt wird. Und das frustriert die beiden, die eigentlich gar keine Impfgegner sind, sondern einfach nur unsicher sind, wie ihr Körper auf „noch mehr“ Antikörper reagieren würde…

Chefredakteurin at Helmstedter Sonntag | + posts

Katja Weber-Diedrich, geboren 1976 in Helmstedt, ist seit fast 30 Jahren Lokaljournalistin durch und durch. Der Legende nach tippte die ehrenamtlich Engagierte vor 25 Jahren den ersten HELMSTEDTER SONNTAG an einer Bierzeltgarnitur. Sowohl die Tiefen der deutschen Grammatik als auch die Wirren der Helmstedter Politik sind der Chefredakteurin nicht fremd; ihr Markenzeichen sind ehrliche Kommentare und Hartnäckigkeit.