von Nico Jäkel

Glutamat hat, vor allem in der westlichen Welt, einen eher schlechten Ruf. Warum eigentlich? Und ist das gerechtfertigt? Im (fern)östlichen Kulturraum gilt Glutamat schließlich als eine durchaus haushaltsübliche Zutat…

Was ist Glutamat eigentlich?

Glutamat ist ein Geschmacksverstärker. Dieser wird eingesetzt, um Gerichte „runder“ und herzhafter wirken zu lassen. In der Regel wird dazu ein Salz der Glutaminsäure, meist das Mononatriumglutamat, verwendet. Glutamat wird allerdings nicht bloß chemisch hergestellt, sondern kommt auch natürlich vor. Parmesankäse zum Beispiel enthält ebenso Glutamat wie Tomaten, Pilze und vieles mehr. Bei der Fleischreifung entsteht -Glutamat auf natürliche Weise und selbst Muttermilch enthält Glutaminsäure. Als wesentliche Aminosäure ist Glutaminsäure, die umgangssprachlich auch für Glutamat verwendet wird, in praktisch allem enthalten, was lebt. So auch in unserem eigenen  Körper, der selbst welches produziert, das dann zum Beispiel zur Entwicklung des -Nervensystems beiträgt.

Allerdings gibt es einen Unterschied. Das vom Körper selbst produzierte Glutamat nennt man endogen, das, was man zu sich nimmt, exogen. 

Woher kommt sein schlechter Ruf?

Das hängt, so vermutet man heute, mit seiner Historie und einem mutmaßlichen Scherz, der als „China-Restaurant-Syndrom“ bekannt wurde, zusammen. Entdeckt wurde Glutamat 1908 vom Japaner Kikunae Ikeda. Er soll mit seiner Familie zu Abend gegessen haben, als ihm auffiel, dass die Suppe besser schmeckte als sonst. Er erkannte, dass der Kombu, ein in der japanischen Küche weit verbreiteter Seetang, zu einer herzhaften Geschmacksexplosion führte. Ikeda nahm seine Erfahrung vom Esstisch mit ins Labor. Er zerlegte den Seetang bis in seine molekularen Einzelteile und fand: Glutamat, das er in Form von Mononatriumglutamat chemisch stabilisierte. Einhergehend mit dieser Entdeckung wurde auch ein neuer Geschmack beschrieben: Umami, der praktisch als Verstärkung für die bisher bekannten Geschmacksrichtungen gilt. Somit ist klar: In der asiatischen Küche wurde Glutamat auch unbewusst vor seiner Entdeckung eingesetzt und ist dort weit verbreitet. Ende der 1960er-Jahre beschrieb der US-amerikanische Arzt Robert Ho Man Kwok ein nicht lebensbedrohliches, aber unangenehmes Phänomen, für das er Glutamat verantwortlich machte. In einem Brief, den er an das New England Journal of Medicine schickte, brachte er erstmals den Begriff „China-Restaurant-Syndrom“ ins Gespräch. In der asiatischen Küche wird viel mit Glutamat gewürzt und Kwok hatte selbst regelmäßig erlebt, dass es ihm nach chinesischem Essen nicht gut ging: Sein Mund wurde trocken, fing an zu kribbeln, wurde taub und der Hals kratzte. Auch andere Menschen berichten von ähnlichen Symptomen, nachdem sie chinesisch gegessen hatten. Nach derzeitigem Stand der Forschung ist aber nicht das Glutamat dafür verantwortlich. Es konnten keinerlei Beweise entdeckt werden, dass es Überempfindlichkeiten gegen Glutamat gibt. Im Gegenteil – vielmehr wird heute vermutet, dass Robert Ho Man Kwok gar nicht wirklich exis-tierte, sondern seine Worte als eine Art „Witz“ in einem Fachblatt für Ärzte unter einem Pseudonym veröffentlichte. Doch über Jahrzehnte war der Ruf im westlichen Raum nicht mehr zu retten.

Doch nicht ungesund?

Studien haben in der Vergangenheit Hinweise geliefert, dass Störungen im endogenen, also vom Körper selbst betriebenen, -Glutamatstoffwechsel mit Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder amyotrophischer Lateralsklerose (ALS) in Verbindung gebracht werden können. Da wir aber nicht unser endogenes Glutamat (also das selbst erzeugte) zu uns nehmen, sondern das exogene, ist von einem völlig anderen Wirkprinzip die Rede. Letzteres kann nämlich üblicherweise nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren, die die Umgebung unseres Gehirns vom Rest des Körpers trennt und schützt. Ebenfalls wurde vermutet, dass Glutamat krebserregend ist. Forscher aus den USA hatten in einer Untersuchung festgestellt, dass besonders aggressive -Prostata-Tumore einhergingen mit hohen Glutamat-Konzentrationen im Blut sowie mehr Gluta-mat-Rezeptoren auf dem Tumorgewebe. Weil damit noch nicht klar ist, ob Glutamat die Tumore auch verursacht, prüfte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit den Stoff vor wenigen Jahren erneut. Ergebnis: Glutamat ist in den üblichen Mengen, die wir täglich verzehren, nicht gefährlich. Ernährungswissenschaftler, Verbände und Institute wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben deshalb keine Bedenken gegen gelegentliches Würzen mit Glutamat. Nur von einem Einsatz als Kochsalz-Ersatz rät das BfR ab: Abgesehen davon, dass Glutamate keinen typischen Salzgeschmack bewirken, sollten die Verbindungen nur zu ihrem vorgesehenen Verwendungszweck als Geschmacksverstärker eingesetzt werden.

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Nico Jäkel, geboren 1981 in Helmstedt, ist ausgebildeter Redakteur, selbstständiger Fotograf und ein leidenschaftlicher Hobbykoch mit einer gigantischen Sammlung an Kochbüchern. Seine Markenzeichen sind verschachtelte Sätze. Zusätzlich zu seinem Faible für Produkttestungen, engagiert sich der Lokalpatriot in seiner Heimatstadt Schöningen.